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Mal sehen, wo ich diesmal lande. Martin Schmitts Erfolge liegen lang zurück. Bei dieser Vierschanzentournee wäre er schon mit Platz 20 zufrieden. Foto: dpa

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Martin Schmitt: Angetreten zum Hinterherspringen

Martin Schmitt geht als krasser Außenseiter in seine 16. Vierschanzentournee – ans Karriereende denkt er aber immer noch nicht.

Martin Schmitt ist alles andere als ein Favorit für die am Freitag beginnende Vierschanzentournee, trotzdem ist seine Laune prächtig. „Ich kann Magdalena Neuner verstehen“, sagt der älteste Skispringer im Leistungskader des Deutschen Skiverbandes (DSV) auf die ewige Frage nach seinem Rücktritt, „ich kann aber auch Michael Schumacher verstehen.“ Soll das heißen, dass der Skispringer, der sich seit Jahren beharrlich weigert zurückzutreten, schon vor dem Rücktritt ein Comeback anstrebt? „Nein“, sagt Martin Schmitt, „ich mache gleich durch.“ Es wäre ihm zuzutrauen.

Mit 33 Jahren hat Martin Schmitt alles erlebt, was es im Skispringen zu erleben gibt. Er hat Olympische Medaillen gewonnen, WM-Medaillen, Weltcupspringen, die meisten freilich in der Zeit von 1997 bis 2002. Die Vierschanzentournee hat er noch nie gewonnen, und daran wird sich auch bei seiner 16. Teilnahme nichts mehr ändern. Martin Schmitt weiß das. Auf die Frage, wer die eine Millionen Schweizer Franken kassieren könnte, die für denjenigen ausgelobt sind, der alle vier Springen gewinnt, antwortet Schmitt: „Ich jedenfalls nicht.“ Er geht mit den Weltcup-Platzierungen 50, 25, 29 und 36 in die Vierschanzentournee, die Springen in Kuusamo und Engelberg hat er gleich ganz ausgelassen, um im Training an Material und Form zu feilen. Und deshalb scheint alles so wie immer zu sein, als Martin Schmitt am Mittwoch auf dem Podium im Oberstdorfer Kurhaus erscheint.

Wieder trägt er seine lila Sponsorenmütze, die ihm längst auf den Kopf gewachsen scheint. Wieder grinst er schief, während er in das Mikrofon spricht, wieder strahlt er neben Selbstironie auch Larmoyanz aus, weil irgendetwas mal wieder nicht stimmt mit der Feinabstimmung oder dem Körper. „Ich hatte ein paar stabile Einzelsprünge, aber ich habe noch nicht die stabile Form, in der man alles blind abrufen kann“, sagt er. Er müsse weiter an jedem einzelnen Sprung arbeiten. Das alles hat man schon so oft gehört im letzten Jahr und im Jahr davor. Und doch ist etwas anders. Er gastiert auf dem Podium als Kunde eines neuen Skiherstellers, er hat auf seine alten Skispringer-Tage noch einmal den Hersteller gewechselt. Er springt nun auf den Brettern einer deutschen Internetfirma, welche die ehemalige DDR-Firma Germina gekauft hat, nun selber Sprungski herstellt und sie gleichzeitig als Werbefläche nutzt. Martin Schmitt fliegt in dieser Saison erstmals selbst mit dem neuen Fabrikat. Weniger, weil er noch einen Sponsoren gebraucht hat, eher weil er sich eine sportliche Verbesserung verspricht. „Die Firma ist kleiner und hat damit mehr Möglichkeiten auf die eigenen Wünsche einzugehen“, sagt er. Und das dürfte der eigentliche Grund für den ewigen Skispringer Martin Schmitt sein. Der ewige Ehrgeiz.

„Ich habe genügend sportlichen Ehrgeiz, um das Beste aus der Situation zu machen“, sagt er. Für die Vierschanzentournee bedeutet das im besten Fall ein Platz unter den ersten zehn. Wahrscheinlich wäre aber auch einer unter den ersten 20 in Ordnung. „Es ist nicht immer leicht“, gibt Martin Schmitt zu, der immer wieder mit Knieproblemen kämpft, „man wünscht sich, dass es reibungslos abläuft, dass man sich auf den Körper hundertprozentig verlassen kann.“ Trotzdem lässt er den Gedanken des Rücktritts nicht an sich heran. „Das ist ein ferner Gedanke, ich springe die Saison auf jeden Fall fertig“, sagt er, „ich werde mich frühestens nächstes Frühjahr entscheiden, da habe ich für mich keinen Druck.“

Zwar weckt sein Name weiterhin das Interesse der Öffentlichkeit, rund 20 Journalisten umstehen ihn im Kurhaus Oberstdorf, aber eigentlich interessieren sie sich vor allem für einen Satz: „Ich höre auf.“ Doch er fällt auch diesmal nicht. Längst haben ihn andere im Team überflügelt, Richard Freitag und Severin Freund zählen in dieser Saison sogar zu den Mitfavoriten auf den Tourneesieg. Martin Schmitt hingegen rutscht in der sportlichen Hierarchie weiter zurück.

„Meine Rolle im Team hat sich durch die Erfolge der anderen nicht geändert“, glaubt Martin Schmitt. Die Erfolge seien sogar positiv für ihn, weil beide im Training das Niveau hochhalten und die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. „Ich kann dadurch in Ruhe mein Ding machen und arbeiten“, sagt Martin Schmitt. Wie immer, wie immer.

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