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Sport: „Maßlos dumm“

Vor der WM greift Langlauf-Coach Pichler vehement Bundestrainer Behle an

Berlin - Als der Langlauftrainer Wolfgang Pichler am Dienstagmittag sein Haus verließ, freute er sich, dass ein neunstündiger Dienst im Zollamt Bad Reichenhall auf ihn wartete. Denn diese Pflicht gibt ihm auch eine wichtige Freiheit. „Ich kann sagen, was ich will und muss nicht wie andere Trainer im Deutschen Skiverband, die nur einen Einjahresvertrag haben, fürchten, dass ich entlassen werde.“ Zuletzt habe sogar jemand – dessen Namen er nicht nennen wolle – zu verhindern versucht, dass er sich zu den jüngsten Ereignissen im deutschen Langlauf-Team äußere. Natürlich vergeblich. Wolfgang Pichler sagt: „Ich lass’ mir das nicht gefallen.“

Wolfgang Pichler greift den deutschen Bundestrainer Jochen Behle vehement an. „Er muss sich zurücknehmen, wenn es ihm keiner sagt, dann sage ich es ihm.“ Was den 52-Jährigen aufregt, ist die jüngste Kritik des Bundestrainers an Evi Sachenbacher-Stehle. „Das ist maßlos dumm“, sagt Wolfgang Pichler, der auch die schwedischen Biathleten trainiert. „Ich verstehe nicht, dass ein erfahrener Trainer so etwas drei Tage vor einer Weltmeisterschaft starten kann.“ Das hätte man am Ende der Saison besprechen können. Vor der am Donnerstag beginnenden Nordischen Ski-Weltmeisterschaft in Sapporo bräuchte seine sensible Läuferin vor allem eines: Ruhe. Weshalb er Behles Trainerfähigkeiten infrage stellt. „Die gute Arbeit stammt nicht von ihm, ich weiß gar nicht, ob er jemals jemanden trainiert hat“, sagt Pichler, „er hat gute Leute, die für ihn arbeiten.“ Der Zollbeamte fordert, dass Behle künftig nicht mehr für die deutschen Langlauf-Frauen zuständig sein sollte. „Jochen Behle versteht die Frauen nicht“, sagt er, „das Frauenteam braucht einen eigenen Trainer – und das bin nicht ich.“

Behle war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Am Montag hatte er Evi Sachenbacher-Stehles Einstellung kritisiert. Sie sei „nicht willig“, ihre falsche Technik umzustellen. Und ihr Heimtrainer ebenso wenig. „Wolfgang Pichler interessiert die Technik nicht, für ihn ist die Platzierung das Wichtigste“, hatte er erklärt. „Jeder Trainer interessiert sich für die Platzierung“, antwortet Pichler. „Ich muss mich nicht vor Jochen Behle rechtfertigen. Ich habe fünfmal mehr Athleten trainiert.“ Zwar neige Evi Sachenbacher-Stehle in Extremsituationen dazu, sich mit dem Oberkörper zu sehr nach vorne zu beugen. „Aber sie will sich immer verbessern“, sagt Pichler. Die Technikfehler seien in der Jugend gemacht worden – als Evi Sachenbacher-Stehle beim Deutschen Skiverband trainiert hat. „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“, sagt Wolfgang Pichler.

Evi Sachenbacher-Stehle musste sich im vergangenen Jahr nach ihrer Schutzsperre bei den Olympischen Spielen in Turin mit Dopingvorwürfen auseinander setzen. Das hat sie tief getroffen, allerdings ist sie seitdem auch sehr gereift. Bei der Nordischen Ski-Weltmeisterschaft besitzt sie in der Doppelverfolgung und in den Staffelwettbewerben Medaillenchancen. Wie sie den erneuten Streit um ihre Person aufgenommen hat, ist unklar. „Ich kann das vertragen, aber es ist schofel, so etwas auf dem Rücken der Evi auszutragen“, sagt Wolfgang Pichler – und macht sich auf zum Dienst im Zollamt Bad Reichenhall.

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