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Stark gehoben, gut gebrüllt. Matthias Steiner bei der EM in Antalya.

© dapd

Matthias Steiner: Das Schwere wird wieder leichter

Gewichtheber Matthias Steiner hat bei der Europameisterschaft am vergangenen Wochenende gezeigt, dass mit ihm bei Olympia in London noch einmal zu rechnen ist.

Von Katrin Schulze

Matthias Steiner schrie die Erleichterung aus seinem Körper, und bei einer Masse von 140 Kilogramm kam da ein ordentliches Gebrüll zusammen. Es kündete von einem Erfolg, mit dem er selbst nicht wirklich gerechnet hatte. Besser als gedacht sei es gelaufen, sagte der Gewichtheber, nachdem er sich ausgebrüllt und die Silbermedaille an seinem Hals baumelte. Steiner landete bei der Europameisterschaft in Antalya auf dem zweiten Platz. Vor allem aber hat er sich mit seinen 424 Kilogramm im Zweikampf für die Olympischen Spiele in London qualifiziert. Und dass ihm das gelingen würde, daran hatten vor ein paar Wochen noch nicht sehr viele geglaubt.

In gewisser Weise schrie der Superschwergewichtler am vergangenen Wochenende also auch all die Skeptiker an, die ihn nun schon seit einer ganzen Weile begleiten. So sehr wie ihn die Menschen nach seinem bewegenden Olympiasieg vor vier Jahren in Peking bejubelt hatten, so sehr zweifelten sie danach auch an seiner wahren Stärke. Weil ihm gemessen an seinem großen Triumph damals einfach nicht mehr viel gelingen wollte. Und wenn sich der 29-Jährige dann doch mal in Richtung Weltspitze zurückgehoben hatte, warf ihn eine Verletzung auch schon wieder zurück. Zuletzt war es die kaputte Quadrizepssehne zwischen Knie und Oberschenkel, die ihn monatelang behinderte. Ob er es überhaupt bis zu Olympia nach London schaffen würde, blieb lange ungewiss. Jetzt aber sagt Matthias Steiner: „Ich bin zufrieden, dass mein Körper so schnell wieder so fit geworden ist. Dass ich in der Kürze der Zeit wieder einen solchen Leistungsstand erreicht habe.“

Gut drei Monate lang hat er noch Zeit, an seinem großen Ziel zu basteln: Es sich, aber auch allen anderen zu beweisen. Nämlich, dass sein olympisches Gold nicht nur dem Umstand einer glücklichen Fügung zu verdanken war. Einer Fügung, die aus einem kaum beachteten Gewichtheber mit seiner Geschichte um die verstorbene Ehefrau einen deutschen Sporthelden machte. Matthias Steiner wurde zum Sportler des Jahres gewählt. Und anstelle sich in ollen Trainingshallen zu schinden, stiefelte er nun über rote Teppiche, trat sein neues Liebes- und Familienleben in der Boulevardpresse breit, veröffentlichte seine Biografie und tingelte durch etliche Spiel- und Talkshows im Fernsehen.

Frank Mantek, der viel mehr ist als nur Steiners Trainer, wollte ihm daraus nie einen Vorwurf machen. Er wusste, dass es für seinen schweren Freund vielleicht die einzige Chance war, richtig Geld zu verdienen. Dass sein bester Sportler dadurch aber auch das Training vernachlässigte, nervte Mantek schon mächtig. „Ihm fehlt die Disziplin und die Verbissenheit, die ihn einmal ausgezeichneten“, hat der Coach einmal über Matthias Steiner gesagt. Und tatsächlich wirkte es manchmal, als wäre Steiner gesättigt – vom Erfolg, und davon, was dieser mit sich bringt.

Inzwischen allerdings scheint der Gewichtheber längst seine alte Einstellung und die Lust an dem wiedergefunden zu haben, was er am besten kann. Nicht einmal schwere Verletzungen können ihn mehr von seinem Plan abbringen. Steiner hat seine Herangehensweise verändert, auch durch viele Gespräche mit seinem Trainer. Zurückgezogen, abseits des Trubels wird er in seinem Wohnort bei Heidelberg in den kommenden Wochen daran arbeiten, im Sommer seinen Olympiasieg zu verteidigen. „Wenn ich das Ziel nicht hätte, eine Medaille zu holen, hätte ich diesen Aufwand bis jetzt nicht getrieben“, sagt Matthias Steiner.

Dabei liegen zwischen seiner Bestleistung aus dem Jahr 2008 und der am zurückliegenden Wochenende in der Türkei erreichten Marke 37 Kilogramm. Im Gewichtheben sind das Welten. Und eigentlich ist das nicht mehr aufzuholen bis zum 7. August, wenn der olympische Wettkampf der Superschwergewichtler auf der Heberbühne in London ansteht. Der Rückstand ist zu groß. Aber das dachten viele ja auch schon vor der Europameisterschaft.

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