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Bernd Matthies

© Kai-Uwe Heinrich

Matthies meint: Schießen, flattern, werben

Fußball, du liebe Güte. Was machen die da? Es wird langsam unheimlich. Bernd Matthies wundert sich. Nicht nur, weil Hertha die Tabelle anführt.

In der ersten belgischen Liga entschuldigt sich ein Schiedsrichter beim Torwart für einen irrtümlich gegebenen Elfer, Werder-Bremen-Spiele gehen plötzlich ewig 0:0 aus, und im britischen Middlesbrough hat eine Sicherheitsbeauftragte die Fans aufgefordert, leise zu sein, wenn nicht grad ein Tor gefallen ist.

Wer zieht da die Fäden, wer verdient daran? Mario Gomez, der Stuttgarter Stürmer, hat das Fenster zur Realität ein wenig geöffnet, als er kürzlich nicht wie sonst beim Torjubel den siegreichen Torero markierte. Stattdessen riss er eine imaginäre Dose auf, trank und flatterte aufgeregt mit den Armen – für all jene, die wussten, dass Gomez von „Red Bull“ Geld bezieht, war das eine überdeutliche Werbebotschaft für das Getränk, das bekanntlich Flüüüügel verleiht.

Das wäre, so gesehen, etwas Neues. Ein Fußballer, der nicht nur seine Hemdbrust vermietet oder den Namen des Sponsors auf einem dämlichen Käppi in jede Kamera wendet, sondern sogar seinen Torjubel verkauft. Der DFB hat den Vorgang geprüft und auf Disziplinarmaßnahmen verzichtet, das ist gleichbedeutend mit einer Freigabe der Methode auch für andere Vereine. Wenn also Ribery demnächst, einen Torschuss vorausgesetzt, wie wild auf ein imaginäres Handy einhackt und nach Hause telefoniert, dann hat die Telekom ihre Finger im Spiel. Schwieriger wird es, wenn die Frankfurter mit den Armen flattern, denn die würden damit keinen Drink, sondern den Frankfurter Flughafen meinen, das ist für Laien schwer zu verstehen. Und wie Schalke gegebenenfalls seinen Torjubel für Gazprom pantomimisch ausgestaltet, wagt man sich kaum vorzustellen.

Was Hertha angeht: Könnte der an einen Expresszug erinnernde Vorwärtsmarsch der Berliner womöglich der subtile Versuch sein, auch eine Werbebotschaft für ihren Hauptsponsor, die Deutsche Bahn, zu übermitteln? Nämlich jene, dass der ICE seinen Benutzer unweigerlich an die Spitze führt?

So oder so weiß niemand, ob solche Tricks wirklich etwas nützen. Ich muss allerdings zugeben, dass „Red Bull“ es auf dem Umweg über Mario Gomez zur Erwähnung auf Seite 1 dieser Zeitung gebracht hat, das wäre auf allen anderen Wegen sehr viel teurer geworden. Im Sinne eines Interessenausgleichs merke ich deshalb an: Das Zeug schmeckt ziemlich scheußlich.

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