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Max Eberl, 44, spielte unter anderem für Bayern München und Borussia Mönchengladbach. Seit 2008 ist er Sportdirektor bei Gladbach.

© picture alliance / Rolf Vennenbe

Max Eberl von Borussia Mönchengladbach: "Wenn Deutschland spielt, bin ich Fan"

Max Eberl, der Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach, über die WM in Russland, exorbitante Transfersummen und mögliches Interesse an seinen Spielern

Herr Eberl, haben Sie schon ein Visum für Russland?
Nein.

Werden Sie noch eins beantragen?
Nein. Stand heute werde ich nicht nach Russland zur Weltmeisterschaft reisen, wenn Sie darauf anspielen.

Kann man sich das als Manager eines ambitionierten Bundesligisten erlauben?
Warum nicht? Wenn wir erst bei der WM anfangen würden, Spieler zu scouten, hätten wir vorher Fehler gemacht. Vielleicht kann man bei der WM noch mal einen letzten Eindruck von einem Spieler gewinnen. Oder sein Netzwerk pflegen und vergrößern. Aber ich glaube nicht, dass bei einer Weltmeisterschaft noch ein völlig unbekannter Spieler auftaucht. Die Spieler, die für uns infrage kommen und die bei Nationen spielen, die wir uns leisten können, die kennen wir. Und ich bin davon überzeugt, dass das auch für meine Kollegen aus der Bundesliga gilt.

Wie sieht es bei Spielen wie Panama gegen Tunesien aus?
Selbst bei den vermeintlichen Exoten spielen die guten Spieler schon in Ligen, in denen wir scouten. Also werden wir auch diese Spieler kennen. Es kommt heutzutage nur noch höchst selten vor, dass ein Spieler bei einer WM wie aus dem Nichts auftaucht. Schon bei Juniorenturnieren, bei U-17-Europameisterschaften, Südamerikameisterschaften oder Afrikameisterschaften, sind alle Scouts vertreten. Man kennt die Jungs also.

Was ist mit jemandem wie James Rodriguez, der vor vier Jahren nach der WM von Real Madrid verpflichtet wurde?
Er ist ja ein gutes Beispiel für das, was ich gerade gesagt habe. James hat bei der WM in Brasilien Fantastisches geleistet, ist Torschützenkönig geworden, nach dem Turnier von einem der größten Klubs der Welt verpflichtet worden – und hat dann bei Real zwei oder drei Jahre lang keine allzu große Rolle gespielt. Genau das können wir uns eben nicht leisten. Wenn wir einen Transfer tätigen, muss der Spieler passen. Bei jemandem wie James, der sich bei der WM ins Rampenlicht spielt, reden wir über zehn Klubs weltweit, die ihn sich leisten können - und nicht über die 350 anderen, zu denen auch Borussia Mönchengladbach gehört.

Wann waren Sie zuletzt bei einem WM- oder EM-Spiel im Stadion?
2008, bei der EM in Österreich und der Schweiz. Natürlich sehe ich mir solche Spiele gerne an – aber nicht, weil ich hoffe, eine noch unentdeckte Perle zu finden. Entweder gibt es eine Situation, dass ich mir bei einem interessanten Spieler noch einmal ganz konkret etwas anschauen möchte. Oder ich will sehen, wie andere Nationen Fußball spielen, wie andere Trainer arbeiten. Aber ich betrachte es nicht als Pflicht, bei jedem großen Turnier auf der Tribüne zu sitzen.

Sind Sie 2014 vom DFB nicht zum Finale nach Rio eingeladen worden?
Doch, das war auch ein tolles Angebot. Aber – und das soll jetzt nicht arrogant klingen – ich habe mich einfach gefreut, mir das WM-Finale zu Hause mit Freunden anzuschauen. Das war auch sehr emotional.

Verfolgen Sie die WM eher wie ein Fan oder aus professionellem Interesse?
Wenn Deutschland spielt, bin ich Fan. Das ist klar. Bei anderen Ländern schaust du auch mal darauf, was die machen. Chile zum Beispiel war über viele Jahre ein sehr interessantes Projekt, weil man bei der Mannschaft eine andere Art des Fußballs gesehen hat. Chile hat ja die Dreierkette ein Stück weit rehabilitiert. Ich kann mich also nicht davon freisprechen, dass ich auch mal mit Kennerblick auf ein Spiel schaue und versuche, mir neue Inspirationen zu holen.

Showspieler. Für Stars wie Brasiliens Neymar ist die Weltmeisterschaft eine große Bühne. Auf bisher unentdeckte Talente brauchen Scouts dort aber kaum hoffen.
Showspieler. Für Stars wie Brasiliens Neymar ist die Weltmeisterschaft eine große Bühne. Auf bisher unentdeckte Talente brauchen Scouts dort aber kaum hoffen.

© AFP

Ist die WM aus Ihrer Sicht noch eine Messe des internationalen Fußballs, bei der neue Trends präsentiert werden?
Ich glaube nicht, dass man neue Trends bei solchen großen Turnieren sieht. Ich erwarte jedenfalls nicht, dass bei der WM etwas Revolutionäres kommen wird. Die Chilenen haben einen Trend gesetzt, den sie auch nachhaltig verfolgt haben. Da ist uns allen noch das Testspiel in Stuttgart vor vier Jahren im Kopf. Chile hat die Copa America gewonnen, aber bei der WM in Brasilien hat dieser Trend keinen Nachhall gehabt, und für Russland sind sie nicht einmal qualifiziert. Natürlich war es bewundernswert, wie Joachim Löw das Turnier 2014 gemanagt hat, wie die Nationalmannschaft auf ihre Gegner aus anderen Nationen reagiert hat, wie alles perfekt geplant war. Aber die WM ist für mich keine Fußballmesse. Für mich ist eine WM vor allem dadurch speziell, dass sie nur alle vier Jahre stattfindet. Das freut mich, weil im Fußball doch alles sehr inflationär geworden ist. Die WM ist einfach ein Event für Fans. Für mich heißt das: Es treffen zwei Nationen aufeinander, und im besten Fall gewinnt die Nation, der du die Daumen drückst.

Nationale Stile spielen auch keine große Rolle mehr.
Diese Verschmelzung unter dem Einfluss der Globalisierung findet ja nicht nur im Fußball statt. Die Schweizer Nationalmannschaft ist ein super Beispiel. Die Einflüsse der Secondos …

… der Einwandererkinder …
… haben sie auf ein neues Level gebracht. Das ist die Welt. Und der Fußball ist nichts anderes als das Spiegelbild der Welt. Dieses typisch Deutsche, das Kämpfen und Nur-Verteidigen, das Klischee von den Panzern, die alles niederwalzen – diese Zeit ist vorbei. Mittlerweile spielen wir sogar technisch mit den besten Fußball. Vielleicht haben wir dabei sogar ein bisschen verlernt, richtig gute Verteidiger auszubilden. Dieser Entwicklung müssen wir schon wieder entgegensteuern. Aber dass du sagst: Das ist typisch für ein bestimmtes Land, das gibt es nicht mehr.

Für die WM sind sieben Spieler von Borussia Mönchengladbach nominiert. Freuen Sie sich uneingeschränkt? Oder sehen Sie das sogar ein bisschen zwiespältig?
Wieso zwiespältig?

Weil Ihre Spieler sich verletzen könnten. Weil Sie erst verspätet in die Vorbereitung zur neuen Saison einsteigen können.
Nein. Ich bin froh, dass wir Nationalspieler in unserem Kader haben – weil das heißt, dass diese Spieler und damit auch unser Kader eine gewisse Qualität besitzen. Nur mit solchen Spielern kannst du im Fußball erfolgreich sein. Ich schaue schon mit freudigen Augen auf die WM und auf die Spieler von Borussia. Weil sie ja auch meinen Verein repräsentieren. Natürlich besteht die Gefahr, dass sie sich verletzen. Aber ich sehe lieber die Chance, dass sie sich bei so einem Turnier weiterentwickeln und wir als Verein von diesen Erfahrungen profitieren.

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Wie wichtig ist die finanzielle Kompensation der Fifa für die Abstellung der Spieler zur WM?
Das ist ein Nebenaspekt, der nicht zu vernachlässigen ist. Aber wichtiger ist das Renommee für den Verein, wenn deine Spieler bei so einem Turnier dabei sind. Und wäre Manuel Neuer ausgefallen, wäre es gut für unser Renommee gewesen, wenn Marc-André ter Stegen für Deutschland im Tor gestanden hätte – der ist nämlich bei uns groß geworden.

Es besteht auch die Gefahr, dass sich Ihre Spieler bei der WM ins Blickfeld anderer Vereine spielen.
Das wird sich nicht verhindern lassen und ist für uns auch kein großes Problem. Wir sind, das haben die vergangenen Jahre immer wieder gezeigt, ein Verein, für den immer die – in Anführungszeichen – Gefahr besteht, dass sich Spieler fantastisch entwickeln und von noch größeren Vereinen abgeworben werden könnten. Eine WM ist natürlich eine weitere Plattform, die mediale Aufmerksamkeit ist größer, die Spieler stehen noch stärker im Fokus. Aber da bin ich sehr entspannt.

Glauben Sie, dass es nach der WM noch mal richtig turbulent wird auf dem Transfermarkt?
Das mag sein. Die WM ist erst Mitte Juli zu Ende, dafür ist in der Premier League schon am 9. August Transferschluss. Damit hast du einen großen Markt weniger, der bereit ist, unfassbar viel Geld zu bezahlen. Die Zahl der Vereine, die danach noch mit exorbitant hohen Ablösen um sich schmeißen können, ist dann doch überschaubar. Trotzdem kann es für einen Verein wie Borussia Mönchengladbach sein, dass sich erst im August die Dinge entwickeln, wenn auf dem Markt Normalität eingekehrt ist. Wer hätte vor zwei Jahren gedacht, dass man 220 Millionen Euro für einen Spieler bezahlt. Kein Mensch! Aber es ist vor einem Jahr passiert. Und wer weiß schon, was in diesem Sommer passiert? Die Voraussetzungen sind ganz andere als in der Vergangenheit. Dem müssen wir uns natürlich anpassen.

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