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Mayer-Vorfelder: Der Abschied des Paten

Mit Gerhard Mayer-Vorfelder verlässt ein Funktionär den DFB, der stets polarisierte. Einer der letzten Gutsherren im Verband. Wirklich beliebt war er nie, obwohl er selbst das eigentlich gar nicht verstand.

Frankfurt/Main - Auf der Zielgeraden seiner Laufbahn als mächtigster Mann im deutschen Fußball hatte Gerhard Mayer-Vorfelder vor knapp zwei Monaten einen launigen und treffenden Einblick in sein Gefühlsleben gegeben. Inmitten der WM-Euphorie, drei Tage vor dem Viertelfinale gegen Argentinien, saß der DFB-Präsident in Berlin auf dem Pressepodium der Nationalelf und plauderte über alte Zeiten. Wie er einmal mit seinem Vorgänger Hermann Neuberger zusammen im Stadion gesessen sei, und die Leute wie üblich "Vorfelder raus!" gerufen hätten. "Neuberger fragte mich, was sie da rufen", erzählte Mayer-Vorfelder grinsend, "und ich antwortete ihm: Ich verstehe es auch nicht so genau'".

So hat er es schon immer gemacht, der Machtmensch Mayer-Vorfelder, der all seine Ämter stets nach Gutsherrenart zu führen pflegte: Kritik und Anschuldigungen wurden überhört, Affären und Skandale ausgesessen und überstanden. Seit seinem Amtsantritt als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) am 28. April 2001 wurde nicht nur einmal kräftig am Stuhl des gebürtigen Mannheimers gesägt. Der Mann mit dem Kampfnamen "MV" hat sich daran nie gestört. Auf dem DFB-Bundestag in Frankfurt am Main endet nun die schillernde Ära Mayer-Vorfelder: Der 73-Jährige scheidet aus seinem Amt aus.

Rücktritt Völlers brachte ihn in Bedrängnis

Ursprünglich waren seine Tage schon nach der verkorksten Europameisterschaft 2004 in Portugal gezählt. Nach dem unerwartet plötzlichen Rücktritt von Rudi Völler hatte "MV" die Suche nach einem Nachfolger zur Chefsache erklärt - sehr zur Verärgerung seiner Kollegen im DFB-Präsidium. Der Alleingang war allerdings nicht von Erfolg gekrönt. Wunschkandidat Ottmar Hitzfeld gab ihm überraschend einen Korb - und seinen Feinden rund um die Frankfurter DFB-Zentrale scharfe Munition.

Mit dem dezenten Hinweis auf Mayer-Vorfelders selbstherrliche Persönlichkeit ging der damalige Schatzmeister Theo Zwanziger aus der Deckung und kündigte an, er wolle bei der kommenden Präsidiumswahl als Gegenkandidat antreten. "Ich habe feststellen müssen, dass sein Führungsstil nicht der ist, der in einem demokratisch ehrenamtlich geprägten Verband überall auf Freude stößt", umschrieb Zwanziger galant seine massive Kritik am in Ungnade gefallenen Vorgesetzten.

Die WM noch im Amt miterlebt

Doch Mayer-Vorfelder konnte seinen Kopf irgendwie aus der Schlinge ziehen und seinem Kontrahenten eine Wachablösung auf Raten abtrotzen. Dank seiner Posten in der Exekutive des Weltverbandes FIFA und des Kontinentalverbandes UEFA überließ man dem entmachteten DFB-Boss internationale und repräsentative Aufgaben. Für das Tagesgeschäft zeichnete jedoch ab sofort Zwanziger als Geschäftsführender Präsident allein verantwortlich. Die "menschlich anständige" Tandemlösung (Zwanziger) wurde zudem bis September 2006 begrenzt - die in Deutschland stattfindenden Weltmeisterschaft wollte und sollte er noch als Amtsträger miterleben dürfen.

Ein fauler Kompromiss, schimpften nicht wenige und nachdem Mayer-Vorfelder nur Wochen später auch im Manipulationsskandal um den früheren Schiedsrichter Robert Hoyzer eine mehr als unglückliche Figur gemacht hatte, wetzten seine Gegner erneut die Messer. Vergebens. Zwanziger hielt seinem Amtskollegen den Rücken frei, bewältigte die Krise nahezu im Alleingang und schärfte damit sein vorher doch eher blasses Profil.

Sein Instinkt sicherte ihm Macht

Nicht nur beim DFB, schon in seiner Regentschaft als Präsident beim VfB Stuttgart (1975 bis 2000) sowie als Minister und Landtagsabgeordneter von Baden-Württemberg produzierte er negative Schlagzeilen am laufenden Band. Mehrfach war der "Affärenprofi" ("SZ-Magazin") und "Fußball-Pate" ("Stern") Gegenstand von Skandalen, doch mit untrüglichem Machtinstinkt überstand er die Lotto-Toto-Affäre, den Südmilch-Skandal, die Steuersache Steffi Graf oder die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen seine Person wegen Steuerhinterziehung. Ungesetzliches Verhalten konnte ihm nie nachgewiesen werden.

Und so blieb den Journalisten rund um den Stuttgarter Landtag vor allem sein Abschied als Finanzminister 1998 in bester Erinnerung. Auf die Frage, worüber er sich in seiner Amtszeit am meisten gefreut habe, antwortete Mayer-Vorfelder damals: "Am meisten hat mich gefreut, dass keiner von euch meinen Skalp am Gürtel hat." Bei seinem Abschied von der großen DFB-Bühne dürfte er am Freitag wohl weitaus weniger markige Worte finden. (tso/ddp)

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