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Sport: Mayer-Vorfelder tritt auf

Noch einmal Chef der deutschen WM-Delegation

Gerhard Mayer-Vorfelder genießt die großen Posen. In der Schummrigkeit eines kahlen Ganges des Genfer Stadions begrüßt der Halb-Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) den Bundestrainer. Jürgen Klinsmann lächelt milde, als ihm Mayer-Vorfelder die rechte Hand auf die Schulter legt. Und während sich die beiden Herren jovial unterhalten, wandert Mayer-Vorfelders linke Hand an seiner Weste herunter in die tiefe Hosentasche seines Dreiteilers. „Ich war ja eine ganze Zeit ausgefallen“, sagt Mayer-Vorfelder, „aber jetzt bin ich wieder da.“

Aus dem Mund des Mittsiebzigers können solche Sätze wie eine Drohung klingen. Mayer-Vorfelder, bei dem im Frühjahr eine Herzoperation vorgenommen werden musste, hat sich in seiner Karriere als politischer Minister und fußballerischer Großfunktionär nicht nur Freunde geschaffen. Der Bundestrainer aber gehöre nicht zu seinen Gegnern. „Ich rechne mir an, ihm geholfen zu haben, seine Ziele zu erreichen“, sagt Mayer-Vorfelder und lächelt. Tatsächlich führte er zusammen mit DFB-Generalsekretär Horst Schmidt im Sommer 2004 in New York die Verhandlungen mit dem damaligen Überraschungskandidaten aus Kalifornien. Noch heute behaupten Kritiker, die beiden Headhunter des DFB hätten sich von Klinsmann die Bedingungen bei der Ausgestaltung des Vertrages diktieren, wenn nicht gar sich komplett über den Tisch ziehen lassen. Als der Bundestrainer den Hockeytrainer Bernhard Peters zum DFB-Sportdirektor machen wollte, stöhnte DFB-Schatzmeister Heinrich Schmidhuber: „Ein ganzes Imperium hat Klinsmann für die WM aufgebaut.“

Mayer-Vorfelder, dessen Präsidentschaft rasch nach der WM enden wird, schmunzelt über solche „Sprüche des Herrn Schmidhuber“. Natürlich müsse man sich beim Verband überlegen, „ob man gewisse Dinge nach der WM nicht zurückführen kann“, aber daraus abzuleiten, dem DFB gehe es finanziell schlecht, „ist doch schon sehr gewagt“. Mayer-Vorfelder legt Wert darauf, dass die geistig- sportliche Wende, die in der Person Klinsmanns über den deutschen Fußball kam, eng auch mit seinem Namen verwoben wird. Was zählen da schon Übernachtungen in noblen Cityhotels, interkontinentale First-Class-Flüge, die Anschaffung eines 1000 Quadratmeter großen Fitnessparks und die stolzen Honorare eines gut 20-köpfigen Betreuerstabs. „Ich möchte mich hinterher nicht kritisieren lassen, nicht alles getan zu haben“, sagt Mayer-Vorfelder. Der Bundestrainer hatte das Maximalziel für die WM ausgegeben und den Verband unter Zugzwang gesetzt. „Ich werde mich hüten, dem Jürgen zu widersprechen“, sagt Mayer-Vorfelder. Für ihn wäre das Schönste, „wenn Jürgens Wort Wirklichkeit würde“. Was Jürgens Wort den DFB genau kostet, dazu will er nichts sagen.

Mayer-Vorfelder genießt seinen Auftritt nach langer Abstinenz. Nach der WM werden seine Machtanteile auf Theo Zwanziger fallen, den anderen DFB-Teil- Präsidenten. Ein letztes Mal führt er die deutsche Delegation zu einer WM. Aber was, wenn der Erfolg ausbleibt? „Mal sehen, wenn der Jürgen das nicht mehr machen will“, fragt Mayer-Vorfelder in die Runde und gibt selbst die einfachste aller Antworten: „Dann kommt ein neuer Trainer.“ Dem Präsidenten auf Abruf gefällt dieses Gedankenspielchen. Er drückt seinen Rücken durch und amüsiert sich über das jüngste Kompetenzgerangel zwischen Oliver Bierhoff und Matthias Sammer. Der Manager der Nationalmannschaft und der DFB-Sportdirektor hatten für sich reklamiert, gegebenenfalls einen neuen Bundestrainer zu suchen. „Da streiten Bierhoff und Sammer um des Kaisers Bart“, sagt Mayer-Vorfelder, „denn das entscheidet immer noch das Präsidium.“

Da ist er wieder entflammt, der Machtinstinkt jenes Mannes, den Freunde wie Feinde der besseren Griffigkeit halber „MV“ nennen. Und einmal in Fahrt, holt er alles nach, was ihm vom Krankenlager aus offenbar nicht möglich war: „Der Herr Zwanziger hat ja Wert darauf gelegt, den Bierhoff-Vertrag schon jetzt zu verlängern und den Sportdirektor noch vor der WM zu installieren“, sagt er und lässt den Gedanken unvollendet. MV sammelt sich, er ahnt, dass seine Äußerungen zwar noch immer, aber eben nicht mehr lange für Wirbel sorgen werden. Die Suche eines Klinsmann-Nachfolgers wird nicht mehr seine Angelegenheit sein. Und es scheint, als habe sich MV noch nicht entschieden, ob er das nun schade oder gut finden soll. Er fährt sich mit der Hand über die Augenbraue und sagt lapidar: „Der Sammer könnte das ja für ein, zwei Spiele machen.“

Gerhard Mayer-Vorfelder holt Luft. Er sagt, dass er sich schon freuen würde, wenn „der Jürgen das weitermacht“, aber ein ähnliches Dilemma, wie es ihm nach der EM 2004 widerfahren war, als sich die von MV geführte Trainerfindungskommission eine Absage nach der anderen einholte, könne er nicht ausschließen: „Ich weiß nicht, was passiert, wenn der Jürgen wie der Rudi Völler einfach sagt: Ich mache nicht mehr weiter.“ Der Noch-Präsident rafft sein Jackett zusammen: „Das ist ja nicht mehr mein Bier.“

Dann hat er genug und sagt: „Aber jetzt freuen wir uns mal auf die WM.“ Dabei schmunzelt er und legt einem Reporter seine Hand auf die Schulter. Die alten Griffe sitzen noch.

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