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Sport: Mehr als ein Marathonlauf

Michael Groß hat sich als Schwimmstar in den Achtzigerjahren gern mit Deutschlands Sportfunktionären angelegt. Inzwischen ist der 37-Jährige selbst Mitglied des Vorstandes der Stiftung Deutsche Sporthilfe und zugleich im Präsidium des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) vertreten.

Michael Groß hat sich als Schwimmstar in den Achtzigerjahren gern mit Deutschlands Sportfunktionären angelegt. Inzwischen ist der 37-Jährige selbst Mitglied des Vorstandes der Stiftung Deutsche Sporthilfe und zugleich im Präsidium des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) vertreten. Heute und morgen diskutiert der einst als "Albatros" gefeierte Schlaks in Hamburg über die Frage, ob Deutschland sich für die Olympischen Sommerspiele 2012 bewerben soll. Dass die Antwort positiv ausfällt, steht außer Frage. Sicher ist auch, dass es kritische Töne geben wird. Von Groß, der inzwischen bei einer Agentur für Unternehmenskommunikation arbeitet. "Die Chancen, dass Olympia 2012 in Deutschland stattfindet, liegen vielleicht bei ein oder zwei Prozent", schätzt der dreifache Olympiasieger und fünffache Weltmeister. "Die Konkurrenz heißt Paris, Moskau, möglicherweise auch New York. Glauben wir denn allen Ernstes, dass man auf internationalem Level auf Leipzig oder Düsseldorf wartet?" Groß mahnt Realitätssinn an: "Eine solche Bewerbung ist mehr als ein Marathonlauf, mehr als ein Ironman. Vielleicht sitzen wir in acht Jahren immer noch hier und überlegen, wie wir die Spiele 2020 bekommen können."

Dennoch ist das neue NOK-Präsidiumsmitglied Groß, das den Platz von Daimler-Chrysler-Vorstand Jürgen Hubbert eingenommen hat, ein Befürworter der deutschen Bewerbung. "Mein Motto lautet: Wir haben keine Chance, also nutzen wir sie", verkündet Groß. Man müsse sich darüber im Klaren sein, dass in Deutschland "für eine Bewerbung um Olympia die Unterstützung in der Bevölkerung viel schwieriger zu bekommen ist als bei einer Fußball-WM". Groß glaubt, dass es auch Spitzenfunktionären wie NOK-Präsident Walther Tröger und Sportbund-Präsident Manfred von Richthofen "etwas suspekt ist, welch ein Wirbel in den Bewerberstädten schon gemacht wird". Die Euphorie führe dazu, dass "schätzungsweise 50 Millionen Euro für den Bewerbungsprozess lockergemacht" werden. Von Politikern und Sponsoren, "die vorher rein gar nichts mit dem Sport am Hut hatten".

Groß fürchtet, dass Vereine oder die Sporthilfe Abstriche machen müssen, weil Unternehmen Geld in die Bewerbungsaktivitäten statt direkt in den Sport stecken: "Diese Konkurrenz für bestehende Initiativen wäre fatal." Bei einer Bewerbung gehe es zunächst darum, die olympische Idee in Deutschland mit Leben zu füllen. Groß sieht dies wie eine Werbekampagne, wie den Aufbau einer Marke. "Daran fehlt es zu diesem frühen Zeitpunkt allen Bewerbern noch. Der emotionale Anker, glaubwürdige Positionen und die Frage: Wofür stehen wir eigentlich? Darum geht es." Unter technischen Gesichtspunkten würden die Bewerbungen kaum Unterschiede aufweisen. Umso wichtiger sei es, seine Einzigartigkeit herauszuarbeiten. "Das ist wie beim Autokauf: Warum kaufen wir einen Mercedes und keinen Daihatsu?" Deutschlands Bewerbung ist demnach zunächst mit dem Daihatsu zu vergleichen. Da Kauf- und Wahlentscheidungen zumeist langfristig reifen, wünscht sich Groß kontinuierliche Aufbauarbeit. "Man sollte jetzt nicht einen Ballon aufblasen, dem nach und nach die Luft ausgeht. Die volle Größe muss er erst im Jahr 2005 erreichen, wenn die Entscheidung über die Ausrichterstadt der Sommerspiele 2012 fällt."

Erich Ahlers

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