zum Hauptinhalt

Sport: Mehr Ernst, bitte

Eiskunstläufer Pluschenko führt klar vor der Kür, seinen Trainer beeindruckt das nicht sonderlich

Am späten Dienstagabend war Jewgeni Pluschenko ausgesprochen gut gelaunt. Er lachte und scherzte, keine Spur mehr von dem dramatischen Blick, den er kurz zuvor noch auf dem Eis aufgesetzt hatte. Beim Kurzprogramm hatte der russische Star-Eiskunstläufer zur Arie des Cavaradossi aus Puccinis „Tosca“ geglänzt. Und jetzt plauderte er. Er plauderte zu viel, fand Alexej Mischin, sein Trainer. Schließlich war es nur das Kurzprogramm, noch ist nichts gewonnen. Erst am Donnerstag kommt die Kür.

Also schritt Mischin ein. „Er versteht euch nicht“, raunte der Russe auf Englisch den Journalisten zu, die Pluschenko beobachteten. Ach ja? Sekunden zuvor hatte Pluschenko jedenfalls noch perfekt Englisch geredet. „Hey guys“, hatte der 23-Jährige gesagt. „Ich habe nur meinen Job gemacht.“ Das war hoffnungslos untertrieben. Als zweiter Läufer musste Pluschenko, der fünfmalige Europa- und dreimalige Weltmeister, aufs Eis. Wie üblich war er ganz in Schwarz gekleidet. Pluschenko begann mit der Kombination aus Vierfach- und Dreifach-Toeloop, bei der Landung musste er tief abfedern. Aber er stand. Dann der dreifache Axel. Ebenfalls sauber. Dann brillierte er endgültig.

Mit 90,66 Punkten erreichte Pluschenko das beste Kurzprogramm-Ergebnis seit Einführung des neuen Punktesystems. Wer soll ihn gefährden? In die Kür geht der Russe mit einem Vorsprung von mehr als zehn Punkten auf den zweitplatzierten US-Amerikaner Johnny Weir (80). Doch dem mangelt es an Ausdruck. Der 19-jährige Schweizer Stéphane Lambiel (79,04), der Dritte, kann bei der Ausstrahlung am ehesten mit Pluschenko konkurrieren, und seine schnellen Pirouetten sind Weltklasse.

Bei Stefan Lindemann war gar nichts Weltklasse im Kurzprogramm. Vor einem Jahr, bei der EM, hatte er im Turiner „Palavela“ noch Bronze gewonnen. Nun aber riss der Deutsche Meister aus Erfurt den Axel auf und drehte ihn nur einfach, beim dreifachen Lutz stürzte er sogar. Lindemann schlich förmlich vom Eis; Platz 20 mit 60,52 Punkten, damit qualifizierte er sich gerade noch für die Kür.

Während Lindemann am Donnerstag als zweiter Läufer starten wird, geht Pluschenko als 19. aufs Eis, um seine erste olympische Goldmedaille zu gewinnen. „Genug jetzt, am Donnerstagabend können wir weiterreden“, sagte Pluschenko zum Abschied. Trainer Mischin nickte.

Christiane Mitatselis[Turin]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false