zum Hauptinhalt

Sport: „Mein Schlüsselspieler? Die Mannschaft“

Brasiliens Nationaltrainer Dunga über Stars, Talente und Diego

Nach der für Brasilien enttäuschenden WM haben Sie als neuer Nationaltrainer einen Generationswechsel eingeleitet. Ist es nicht fast eine Revolution, wenn Stars wie Adriano, Ronaldinho und Ronaldo nicht dabei sind?

Der Begriff Revolution ist sicher nicht richtig. Es geht darum, schrittweise etwas zu ändern. Meine Aufgabe ist es, einen Kader aufzustellen, der siegen kann und Spaß dabei hat. Nennen Sie das eine neue Offenheit, das ist meine Arbeitsweise. Junge Spieler wissen, dass sie eine Chance bekommen, und sie wissen, dass ihnen erfahrene Spieler dabei helfen. Ich nutze die Mannschaftsstruktur, die sich bei der WM 2006 gezeigt hat, und führe junge Spieler aus der U 18 und U 20 an die A-Mannschaft heran.

Sind Sie ein besonders mutiger Mensch?

Nicht mehr als andere, ich versuche nur klare Linien zu setzen. Für jeden steht die Tür offen, die Spieler wissen, dass sie zu mir kommen können. Ich weiß, wie sich ein Spieler in dieser oder jener Situation fühlt. Im Endeffekt kann keine Mannschaft der Welt auf Spieler mit solcher Erfahrung verzichten, sie wissen, dass ich weiter auf sie setze, wenn die Voraussetzungen stimmen. Aber wir haben eine Liste mit fünfzig Spielern, und jede Position ist zwei- bis dreimal besetzt. Das schafft mehr Konkurrenz und neue Motivation.

Wie sind denn die Reaktionen in Brasilien auf den neuen Trainer und sein Vorgehen?

Da waren schon ein paar Leute misstrauisch. Sie kannten mich ja nicht, sie haben gespannt gewartet, ob ich auch das tue, was ich ankündige.

Man hat sie inzwischen kennengelernt …

Sicher. Die Menschen wissen nun, was ich tue und, vor allem, dass ich tue, was ich sage.

Sie sprachen vom großen Spielerreservoir des brasilianischen Fußballs. Heißt das, Brasilien kommt zur Not auch ohne seine großen Individualisten aus?

All die Namen, die Sie aufzählen, sind vor allem auch Mannschaftsspieler, die eine eigene besondere Klasse haben. Wir vergessen aber, dass auch ein Mythos wie Pelé auf der Bank saß, oder Ronaldo oder Rivera. Mit einem Spieler kannst du ein Spiel gewinnen aber nie eine Meisterschaft. Was ist, frage ich, wenn diese Spieler, die Ausnahmestars, aufhören? Dann muss es doch auch weitergehen.

Und Ihr Schlüsselspieler?

Die Mannschaft.

Wie steht es um den Bremer Diego, der gerade in der Bundesliga Aufsehen erregt?

Wir beobachten natürlich alle Spieler – in allen Ländern. Aber die Meisterschaft hat in Deutschland gerade angefangen und man kann nicht jeden Spieler, der mal ein gutes Spiel gemacht hat, in den Kader berufen. Das muss man sich über einen längeren Zeitraum verdienen. Es geht nicht, die Gruppe ständig zu ändern, das bedarf einer langen Vorbereitung.

Sie haben zum ersten Mal auffällig viele Spieler berufen, die in Osteuropa spielen.

Vorher gab es nur den Westen als Gebiet, in dem Brasilianer spielten. Jetzt ist es eben auch der Osten. In Russland waren vielleicht zwei oder drei, als ich noch selbst spielte, heute sind es fünfzehn oder mehr. Und das, obwohl es in Russland oft so kalt ist.

Das Gespräch führte Oliver Trust.

Carlos Dunga (42) spielte unter anderem beim VfB Stuttgart und machte 91 Länderspiele für Brasilien, auch als Kapitän. Der Weltmeister von 1994 ist seit Juli 2006 Nationaltrainer Brasiliens.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false