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Carlos Tevez will mit Juventus Turin ins Halbfinale der Champions League. Nach dem 1:0 im Hinspiel gegen den AS Monaco stehen die Chancen dafür nicht schlecht.

© AFP

Meine Champions League: Carlos Tevez, der Künstler aus dem Betonviertel

Er galt schon als Nachfolger von Diego Maradona, doch Carlos Tevez konnte diese Erwartungen nie ganz erfüllen. Bei Juventus Turin hat er nun scheinbar den passenden Klub gefunden - und träumt vom Titel in der Champions League.

Beinahe wäre Carlos Tevez mal bei Bayern München gelandet. Das war im Frühling 2003, als der Argentinier schon als Nachfolger von Diego Maradona gehandelt wurde, wie so viele, die bei den Boca Juniors spielen und dort aufsteigen zum Helden der Bombonera, dem stimmungsgewaltigsten der vielen stimmungsgewaltigen Stadien Südamerikas. Maradona hat mal über Tevez gesagt: „Die Menschen lieben Carlitos, er ist ein wahrer Held des Volkes“, aber ein Held der Bayern wurde er nie. Sie hätten ihn schon gern geholt und zwölf Millionen Euro geboten. Boca aber dachte an gut zwanzig Millionen, und damals legten die Münchner großen Wert darauf, das Festgeldkonto bei der Hausbank nicht über Gebühr und mit zu viel Risiko zu belasten. Also verabschiedeten sie sich aus dem Tevez-Poker und spielten die sichere Variante mit Roy Makaay, der ebenfalls viel Geld kostete, aber auch routiniert seine Tore schoss – ohne allerdings die Bayern auf ein neues Niveau zu heben.

Tevez ist viel herumgekommen seit diesen Tagen. Er hat in São Paulo für Corinthians gespielt, in London für West Ham und für beide Klubs in Manchester. Mit United gewann er dabei die Champions League und provozierte bei City einen Skandal, als er sich in einem Spiel beim FC Bayern einer Einwechslung widersetzte. Seine Klasse hat er überall angedeutet, auch in der Nationalmannschaft, aus der er zuletzt bei der WM in Brasilien verstoßen war, angeblich wegen eines Konflikts mit Lionel Messi. Die Karriere des Carlos Alberto Tevez ist eine unvollendete geblieben. Da war einer, der viel zu wenig aus seinem Talent machte. Bis er im Sommer 2013 nach Turin wechselte. In die Serie A, ein damals schon im Niedergang befindliches Unternehmen. Es war wahrscheinlich die beste Entscheidung seines jetzt 31 Jahre währenden Lebens.

Erst in Turin spielt Tevez die dominierende Rolle, die seinem Talent entspricht. 18 Tore hat der kleine Mann mit dem von einem früheren Unfall vernarbten Gesicht in dieser Saison der Serie A schon erzielt. Mit seinen Dribblings und Gewaltschüssen ist er in jedem Spiel für ein Tor gut. Tevez ist einer, für den die Leute ins Stadion gehen. Auch in der Champions League hat es Juventus vor allem der Klasse seines argentinischen Künstlers zu verdanken, dass es nach langen Jahren der internationalen Tristesse in dieser Saison zum Einzug ins Halbfinale reichen könnte. Vor ein paar Wochen zerstörte er in Dortmund mit seinem großartigen Distanzschuss in der ersten Minute und einem weiteren Tor kurz vor Schluss alle Hoffnungen der Borussia auf eine Verlängerung der Europa-Abschiedstournee.

Im Hinspiel gegen den AS Monaco war Tevez der überragende Spieler

Im Hinspiel des Viertelfinals war er beim 1:0 gegen AS Monaco der überragende Mann auf dem Platz. Am Mittwoch steht das Rückspiel in Monaco an, und Tevez verspricht schon mal Großes: „Ich denke, wir könnten wie Atlético sein – nur mit einem besseren Ende.“ Was nach der knappen Niederlage des Außenseiters im Madrider Champions-League-Finale 2014 so viel bedeutet: Natürlich können wir diesen Wettbewerb gewinnen!

Atlético Madrid wäre mit seinem Guerillero-Image ein Klub, wie er gut zu Carlos Tevez passen würde. Zu dem Mann aus Fuerte Apache, einem mit glücklichen Kindheiten nicht gerade gesegneten Betonviertel von Buenos Aires. Kevin-Prince Boateng erzählt gern von sich und seiner Jugend in Wedding, er hätte nur die Wahl zwischen Drogendealer und Fußballprofi gehabt. Gegen Fuerte Apache aber ist Wedding ein Montessori-Dorf, und Tevez stand wirklich vor der von Boateng skizzierten Alternative.

Und doch hat Tevez nie vergessen, wo er herkommt, und trägt unter dem schwarz-weißen Juve-Trikot gern ein Shirt aus der Heimat. Dort hoffen sie immer noch, dass er eines Tages zurückkommt – nicht nach Fuerte Apache, aber nach Buenos Aires, zu Boca in die Bombonera, wo Diego Maradona eine Loge auf Lebenszeit besitzt. Der Vertrag bei Juventus läuft noch ein Jahr. Dann ist Tevez 32, und er hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er die finalen Jahre seiner Karriere sehr gern in einem blau-gelben Trikot gestalten würde.

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