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Sport: Meine erste Liebe - Waggonbau Dessau

Nach diversen Namensänderungen spielt der Klub heute unter dem Namen Anhalt Dessau in der OberligaHeinz Florian Oertel Die BSG Waggonbau Dessau war 1949 der erste Sieger des FDGB-Pokals, des DDR-Pendants zum im Westen ausgespielten DFB-Pokal. Nach diversen Namensänderungen spielt der Klub heute unter dem Namen Anhalt Dessau in der Oberliga.

Nach diversen Namensänderungen spielt der Klub heute unter dem Namen Anhalt Dessau in der OberligaHeinz Florian Oertel

Die BSG Waggonbau Dessau war 1949 der erste Sieger des FDGB-Pokals, des DDR-Pendants zum im Westen ausgespielten DFB-Pokal. Nach diversen Namensänderungen spielt der Klub heute unter dem Namen Anhalt Dessau in der Oberliga.

Dessaus Fußball-Schillerpark war gefürchtet. Alle einstigen Fußballgrößen der DDR reisten mit großem Respekt ins anhaltinische "Klein-Brasilien", denn dort wackelten mit schöner Regelmäßigkeit die Wände. Jedenfalls nach 1945, als aus Dessau 05 zunächst die Sportunion Dessau, dann Dessau-Nord und schließlich die BSG Waggonbau Dessau wurde.

Zehntausend Fans fasste die gefürchtete Kampfstätte mit dem gänzlich unfußballerischen Namen des deutschen Dichterfürsten, der mit Dessau relativ wenig zu tun hatte. Wenn ich dort in den fünf Dessauer Fußball-Oberligajahren, von 1950 bis 1954, für das unvergessliche, richtige, ehrliche Urdampfradio Reportagen sprach, dann rückte ich mit Ohropax und Hustenbonbon an, um mich gegen die Trommelfell attackierende Kulisse zu behaupten. So laut war das im Schillerpark.

Damals gab es die BSG Waggonbau Dessau unter diesem Namen schon nicht mehr. In den DDR-Wirren ständiger Namensveränderungen hieß die Mannschaft zu Oberligazeiten Motor Dessau. Sie hatte durchaus Erfolge vorzuweisen. 1950 verblüffte Motor Dessau die Fachwelt mit dem dritten Platz in der Oberliga. An diesen Erfolg kam der Klub nie mehr heran. Ein Jahr später wurden die Dessauer Neunter, dann Zwölfter und schließlich noch einmal Sechster. 1954 stieg Motor Dessau, leider, aus der höchsten DDR-Spielklasse ab.

Zum Spitzenfußball kehrten die Husaren vom Schillerpark nicht mehr zurück. Und deren allergrößter Streich gelang schon vor diesen Oberligajahren. Das war im Jahr 1949, als es noch gar keine DDR gab. Unter Spielertrainer Hans Manthey kämpften sich damals die Rotweißen bis ins erste Pokalendspiel durch. Die Dessauer eliminierten Jena und Potsdam, und am für Dessaus Fußball denkwürdigen 28. August 1949 bezwangen sie im halleschen Kurt-Wabbel-Stadion Finalpartner Gera-Süd vor 12 000 Zuschauern mit 1:0. Kusmierek hieß der Mann, der eine Viertelstunde vor dem Schlusspfiff das alles entscheidende Tor für die BSG Waggonbau erzielte. Damit waren die Dessauer der erste Sieger dieses Pokals, den der Freie Deutsche Gewerkschafts-Bund (FDGB) gestiftet hatte.

Von ihren Fans begeistert gefeiert, kehrten die Waggonbauer in den Schillerpark heim. Übrigens: Auf der Seite des Verlierers spielte damals Georg Buschner, der spätere Trainer der DDR-Auswahl, seinen gewohnt schneidigen Verteidigerpart. Es nutzte nichts. Döbler, Höhne, Else (mit 39 Jahren im heutigen Matthäus-Alter), Gerngroß, Breitmann, Matthias, Witte, Kusmierek, Kersten, Welzel (der Kopf des Spiels) und Rottmann eroberten die Trophäe.

Richtig - Trainer und Spielregisseur Manthey, damals auch schon 37, war gar nicht dabei. Er zählte zur Ostauswahl, die in Budapest spielte. Umso erstaunlicher jener Erfolg. Gerade Manthey könnte, müsste aber für den bestaunten Aufstieg des Dessauer Fußballs stehen. Wie mancher andere kam der gebürtige Duisburger per Kriegsdienstverpflichtung in die Junkers-Flugzeugwerke. Dort schloss er sich Dessau 05 an, das in den Dreißiger und Vierziger Jahren im mitteldeutschen Fußball eine sehr gute Rolle spielte. Fünfmal wurde Dessau 05 Gaumeister von Sachsen-Anhalt/Thüringen, mit eben diesem Hans Manthey, dem eleganten, spielintelligenten Außenläufer. Ja, so hieß diese Position damals, als noch nicht neudeutsch von Außenbahnen die Rede war.

In den Endrunden der Deutschen Meisterschaft blieb Dessau nur an ganz Großen hängen: Schalke, Stuttgart, Mannheim, Dresden. Dort, im Dresdener Ostragehege, wirkten mit dem späteren Bundestrainer Helmut Schön und "König Richard" Hofmann zwei deutsche Fußball-Denkmäler, die Hans Manthey dann nach 1945 im Ostzonen- und DDR-Fußball als freundschaftliche Kontrahenten wieder traf.

Eine Anekdote erscheint mir aus heutiger Sicht besonders bemerkenswert: Dessaus Pokalsieger erhielten 1949 wie für jedes andere Spiel, auch in der folgenden Oberligazeit, 5 Mark; für Auswärtspartien 7,50 Mark, dazu ein Essen und zwei Getränke - was wohl damals wie heute Bier verhieß. Das ist wohl die einzige Parallele zur heutigen Zeit.Aus der Serie: "Vereine, die wir nie vergessen"

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Heinz Florian Oertel

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