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Sport: „Meine Leidensfähigkeit hat Grenzen“

Georg von Waldenfels über den Daviscup in Alsdorf, die German Open in Berlin und sein Amt als Tennis-Präsident

Waren Sie schon mal in Alsdorf?

Bisher noch nicht. Ich bin selbst gespannt.

Was wissen Sie über die Stadt?

Dass sie vom 9. bis zum 11. April ein Daviscup-Austragungsort sein wird, an den man sich gerne erinnert. Ich rechne fest mit einem Sieg der deutschen Mannschaft gegen Israel. Das Signal von Alsdorf wird lauten: Die erste Hürde auf dem Weg zurück in die Weltklasse ist übersprungen.

Könnte von Alsdorf nicht das Signal ausgehen: Das deutsche Tennis ist provinziell geworden?

Das glaube ich nicht. Voriges Jahr haben wir den Daviscup in Sundern ausgetragen, in einer Stadt, die über Nacht jetzt noch einmal Mittelpunkt der Welt geworden ist – als das Ortskind Franz Müntefering Vorsitzender der SPD geworden ist. Und für den Deutschen Tennis Bund ist es gar nicht so schlecht, auch mal raus aufs Land zu gehen.

Haben Sie mal überlegt, was passiert, wenn Deutschland verlieren würde?

Darüber denke ich gar nicht nach.

Was stimmt Sie so optimistisch? Rainer Schüttler hat in diesem Jahr nicht gerade berauschend gespielt.

Um Schüttler mache ich mir keine Sorgen. Er ist weltweit nach wie vor einer der Topspieler. Sein Problem scheint im Moment im Kopf zu liegen. Aber das wird er lösen.

Und die anderen deutschen Spieler?

Nicolas Kiefer hat zurzeit eine Form, über die wir uns alle freuen. Und dass Thomas Haas nach seiner langen Verletzung schon wieder so weit vorne mitspielt – das ist doch fantastisch. Wenn wir mit unseren drei Top-Spielern antreten, haben wir die Chance, jedes Daviscup-Team zu schlagen.

Schüttler wird oft vorgeworfen, dass es ihm an Ausstrahlung mangele. Er gilt als schwer zu vermarkten.

Ich bin kein Marketingexperte, sodass ich jetzt sagen könnte: Der muss gelbe Haare haben. Für mich ist Rainer Schüttler mit seinem Benehmen auf dem Platz ein Aushängeschild. Wie er sich gibt, wie er den Leistungssport versteht und wie er mit Konflikten im Match fertig wird – ich halte ihn für eine ausgesprochen positive Erscheinung.

Im Vergleich mit Boris Becker wirkt Schüttler eher blass.

Man kann die beiden nicht vergleichen. Natürlich war es traumhaft, Becker zuzuschauen, auch wegen seines Engagements auf dem Platz. Schüttler zeigt das Gleiche, nur – er drückt es anders aus. Für die Zuschauer war es vielleicht lustiger, Becker mit seinen Emotionen zu erleben als Schüttler, der einfach nur systematisch Punkte macht. Aber ich glaube nicht, dass er schlecht zu vermarkten ist. Da tut man ihm Unrecht.

Trotzdem hat es immer wieder Versuche gegeben, die Helden von einst für das deutsche Tennis von jetzt einzubinden. Steffi Graf zum Beispiel wird jedes Jahr vom Turnierdirektor Eberhard Wensky als Retterin der Ladies German Open in Berlin ins Gespräch gebracht.

Man darf Steffi Graf nicht überfordern. Sie ist eine junge Mutter mit zwei kleinen Kindern, lebt auf der anderen Seite Amerikas. Dass sie sich um die Ladies German Open in Berlin kümmern soll, wäre eine Zumutung. Man sollte sich da auch derzeit keine intensiven Hoffnungen machen. Vielleicht sieht es in einigen Jahren anders aus.

Zumindest soll das Stadion in Berlin nach ihr benannt werden.

Schön, aber das bringt uns keinen einzigen zusätzlichen Zuschauer.

Muss man sich mit der Umbenennung nicht beeilen, weil es das Turnier bald nicht mehr geben könnte?

Wir müssen und werden alles tun, um Berlin zu halten. Mit Daimler-Chrysler haben wir einen Sponsor, der geblieben ist, wir haben die Unterstützung des Berliner Senats. Und dass jetzt der Altbundespräsident Richard von Weizsäcker für das Turnier wirbt, freut mich ganz besonders.

Wie ist die Liaison zustande gekommen?

Wir haben jemanden gesucht, der eine natürliche Autorität ausstrahlt. Da kam mir der Altbundespräsident von Weizsäcker in den Sinn. Ich habe ihm ein paar Zeilen geschrieben, und er hat das gleich mit sehr viel Schwung aufgegriffen.

Hat sein Engagement schon gefruchtet?

Wir haben einen sehr guten Zulauf beim Ticket- und beim Logenverkauf. Und wir haben eine sehr gute Stimmung. Man muss nur schauen, ob das ausreicht.

Wahrscheinlich nicht, wenn Sie keinen Hauptsponsor finden. Würde es auch ohne gehen?

Wenn wir mit zehn kleineren Sponsoren auf dieselbe Summe kommen wie mit einem großen, wäre mir das auch recht. Zumal die Abhängigkeit dann nicht so groß wäre. Entscheidend ist: Das Turnier muss sich rechnen.

Ist das nicht utopisch? Im vergangenen Jahr hat das Turnier 400 000 Euro Verlust gemacht – und da hatte es noch einen Hauptsponsor.

Bis Ende April laufen noch wichtige Gespräche, damit wir unser Ziel erreichen. Im Moment bin ich wirklich nicht pessimistisch.

Was würde passieren, wenn sich Ende April, zwei Wochen vor Turnierbeginn, herausstellt, dass die Finanzierung nicht steht?

Dann sind solche Turniere in Deutschland nicht mehr zu halten. Der DTB kann keine Schulden mehr machen.

Ist es denn Aufgabe des Staates, in diesem Fall des Berliner Senats, für mögliche Verluste geradezustehen?

Wenn ich als Politiker einen wichtigen Beitrag dazu leisten kann, dass Berlin eine Sportstadt bleibt, würde ich genauso entscheiden.

Aber das Geld dient hauptsächlich dazu, das Preisgeld von Millionären zu finanzieren.

Sie kriegen im Tennis ohne Preisgelder keinen Spitzensport. Nirgendwo. Mir ist das Preisgeld auch zu hoch. Und wenn das so bleibt, werden wir solche Turniere nicht in Europa halten können. Als Tennisprofi wäre es mir natürlich egal, wo ich die Millionen verdiene. Wenn in Doha und Schanghai diese Preisgelder gezahlt werden, spiele ich eben in Doha und Schanghai.

Sie sind DTB-Präsident in einer schwierigen Zeit: Die Holding stand vor der Insolvenz, das Daviscup-Team ist nach mehr als 20 Jahren aus der Weltgruppe abgestiegen, im Fernsehen wird die Sportart kaum noch gezeigt. Wollen Sie im kommenden Jahr überhaupt noch einmal für das Amt kandidieren?

Jetzt schauen wir erst mal, dass wir das Jahr 2004 über die Bühne bekommen, dann werden wir eine Entscheidung treffen – so rechtzeitig, dass jeder damit leben kann. Man kann das Amt nicht einfach abgeben, ohne eine sinnvolle Nachfolge im Auge zu haben.

Wären Sie bereit, für Ihre Wiederwahl einen Wahlkampf in eigener Sache zu führen?

Wahlkämpfe habe ich in meinem Leben genug geführt. Im Deutschen Tennis Bund werde ich das bestimmt nicht tun.

Das hört sich nicht so an, als würden Sie nächstes Jahr noch einmal antreten.

Ich werde keinen Wahlkampf führen.

Es gibt Widerstände gegen Sie.

Es ist so: Dieses Amt kann man nur ausüben, wenn man Spaß daran hat. Meine Leidensfähigkeit hat Grenzen. Ich habe nicht vor, bis an mein Lebensende Präsident zu sein.

Sie haben sich dafür ausgesprochen, dass ein so großer Verband wie der DTB von einem hauptamtlichen Präsidenten geführt werden müsse. Verfolgen Sie dieses Projekt noch?

Ja, daran müssen wir weiter arbeiten. Ich könnte mir vorstellen, dass wir den Gedanken noch mal aufgreifen, um eine Satzungsänderung auf den Weg zu bringen. Aber man muss sich dann fragen: Wer soll es machen?

Vielleicht Georg von Waldenfels.

Nein, ich stehe für das Amt nicht zur Verfügung. Das muss ein anderer machen.

Gibt es Widerstände gegen das Projekt?

Nein. In den Landesverbänden besteht durchaus Bereitschaft. Aber Sie müssen einige Fragen klären: Wie sieht es mit der Kontrolle aus, zum Beispiel? Ein Profi an der Spitze kann nicht frei schwebend arbeiten. Aber die Kontrollen dürfen ihn nicht derart im operativen Alltagsgeschäft einschränken, dass er sagt: So hat es für mich keinen Sinn. Dazu müsste ein hauptamtlicher Präsident einen Fünfjahresvertrag erhalten.

Wäre die Finanzierung ein Problem?

Überhaupt nicht. Wir haben den Geschäftsführer der Holding und den Generalsekretär des Verbandes. Deren Gehälter zahlen wir heute schon. Die beiden Ämter würden mit dem des ehrenamtlichen Präsidenten vereinigt und damit verschwinden.

Wie schnell könnte das umgesetzt werden?

Will man die Satzung ändern, geht das relativ schnell. Das ist kein Problem von Jahren.

Könnte es schon 2005 einen hauptamtlichen Präsidenten geben?

Wir werden uns in diesem Jahr sicher noch ein paar Mal zusammensetzen und uns darüber Gedanken machen.

Wenn Ihnen dies gelingt, hätten sich Ihre Vorstellungen doch noch zum Teil erfüllt: Im Jahr 2000, kurz nach Ihrem Amtsantritt, haben Sie gesagt, Sie wollten im DTB nicht Sanierer sein, sondern ein Motor mit Turbo-Aggregat.

Das kann ich nur unterstreichen. Wenn wir damals von der Sanierung des DTB gesprochen hätten, hätte jeder gesagt: Haben die einen Vogel? Von welchem Verband reden die? Ein Jahr später ist der Vermarkter ISL Pleite gegangen, von dem wir bis 2007 jedes Jahr zehn Millionen Dollar bekommen hätten. Aber das Zitat ist völlig richtig. Schön, dass Sie es gefunden haben.

Das Gespräch führten Stefan Hermanns

und Benedikt Voigt.

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