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Legende. Lutz Lindemann, 68, bestritt 205 Spiele in der DDR-Oberliga. Nun hat er ein Buch veröffentlicht.

© Kahnert/dpa

Sport: „Meine Vita ist alles andere als linear“

Lutz Lindemann über das Fußballerleben im Osten.

Herr Lindemann, was hätten Sie gemacht, wenn es für Sie nicht zum Fußballprofi gereicht hätte?

Ich wäre, wie viele andere sogenannte Talente, im Heer der Namenlosen aufgegangen, welche die Nummer zehn in der Kreisklasse zelebrieren und am Stammtisch Bundesligaspiele diskutieren.

Galt auch in der DDR die Zehn auf dem Trikot als Inbegriff des Schönen und der Kreativität?

Ich war ein zentraler Mittelfeldspieler, ein Spielmacher, der auf der Zehnerposition auch mal mit der Nummer acht gespielt hat. Ich spielte mit der Nummer zehn beim Klub und in der Nationalmannschaft. In der DDR wurden die Nummern variabel verteilt, uns Spielern wurden Nummern zugeteilt, die nicht immer die Position wiederspiegelten. Es gab keinen Trikotverkauf mit unseren Namen auf dem Rücken.

Welchen Wert hatte das Trikot mit der Zehn für Sie persönlich?

Mein erstes WM-Qualifikationsspiel war 1978 in Izmir. Ich hab nach dem Spiel mit meinem türkischen Gegenspieler das Trikot getauscht. Nach Spielende sollte ich es zurückholen. Das machte ich nicht und musste dafür 200 DDR-Mark Strafe bezahlen. Ich habe das Trikot in der DDR an Handwerker verschenkt. Bestimmte Arbeiten waren in der DDR wegen der allgemeinen Mangelwirtschaft nur mit Sonderprämien an die ausführenden Handwerker möglich.

Wie viel im Leben eines Fußballprofis ist Arbeit und wie viel bleibt immer ein Spiel?

Talent, Arbeit und Spaß sind die Grundlagen für eine erfolgreiche Karriere

War in der DDR das Kollektiv der Star?

Es gab in jedem Oberligateam herausragende Spieler, die sich aber nie als Star sahen, oder so bezeichnet wurden, weil das DDR-System keinen Starkult wollte. Sie konnten einen Starspieler nicht verhindern, das war Jürgen Sparwasser nach dem 1:0-Sieg gegen die BRD. Mit seinem Tor ist er weltweit bekannt geworden.

Riefen sie ihr Potenzial ab, oder waren sie der Typ schlampiges Genie?

Wenn ich nicht so ehrgeizig gewesen wäre, hätte ich nie meine Ziele erreicht. Meine Vita ist alles andere als linear.

Die psychische Belastung eines Profis ist enorm. Wie war das in der DDR? Sind Spieler daran zerbrochen?

Die Trainingsanforderungen in meiner Zeit waren enorm hoch, die psychische Betreuung befand sich aber noch in den Kinderschuhen. Wer sich nicht selbst aufbauen oder therapieren konnte, war arm dran. Es war brutal, es hat sich keiner darum gekümmert, was in unseren Köpfen abging.

Für viele Leute in Jena sind sie eine Kultfigur. Wie lebt es sich damit?

Ich denke es gibt noch andere Kultspieler in Jena, die da heißen Vogel, Ducke, Weise, Kurbjuweit oder Schnuphase. Ich habe in Jena, in Erfurt und im Erzgebirge sehr gern gelebt und entwickelte in allen Regionen ein sehr gutes Lebensgefühl.

Man munkelt immer wieder, sie hätten 1980 ein Angebot eines Bundesligisten gehabt. Stimmt das?

Ich hatte kein offizielles Angebot, aber eine komische Anmache nach dem Spiel gegen Fortuna Düsseldorf. Wir gewannen, ich war richtig gut. Mich sprach ein Herr an, ob er mich nach dem Spiel treffen könne. Ich hab nicht geantwortet, er hätte von der Stasi sein können.

Das Gespräch führte Frank Willmann.

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