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Sport: Meister der Weiterbildung

Bei der Basketball-EM zeigt Dirk Nowitzki, was er in der jüngsten Vergangenheit alles dazugelernt hat

Nur Robert Garrett bleibt gelassen. Der deutsche Basketball-Nationalspieler steht vor dem Absperrgitter im „Centar Millenium“ in Vrsac und lässt die vergangenen Jahre noch einmal durch seinen Kopf gehen. Ein Journalist hatte ihn gefragt, ob er Dirk Nowitzki schon einmal so überragend spielen sah. Bundestrainer Dirk Bauermann hatte sogar festgestellt. „Man muss Superman sein, um solche Würfe zu treffen.“ Doch für Robert Garrett ist Dirk Nowitzki nicht übermenschlich, sondern der Freund, mit dem er seit den Jugendzeiten bei der DJK Würzburg Basketball gespielt hatte. „So kenne ich ihn“, sagt er grinsend, „das macht er jetzt schon jahrelang.“

Abgesehen von seinem langjährigen Gefährten hat Dirk Nowitzki am Dienstagabend bei der Basketball-Europameisterschaft in Serbien-Montenegro alle beeindruckt. Mit einer phänomenalen Leistung in der zweiten Halbzeit gegen die Türkei (66:57) führte er das deutsche Team ins Viertelfinale am Freitag gegen Slowenien und wahrscheinlich auch zur Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2006 in Japan. Die ersten sechs Teams dieser EM sind sicher dabei, zwei weitere könnten Wildcards erhalten.

Nowitzki hatte diesmal die Hälfte aller deutschen Punkte erzielt, doch sich dafür zu loben, liegt ihm nicht. Er spricht nur von „wir“, wenn er auch „ich“ sagen könnte. „Wir sind langsam ins Spiel gekommen, aber wir waren in der zweiten Halbzeit ein bisschen härter und aggressiver“, sagte der Forward vom NBA-Klub Dallas Mavericks. Doch vollkommen alleine kann auch er Basketballspiele nicht gewinnen, zumal die Regeln besagen, dass zu Spielbeginn eine Mannschaft mit fünf Spielern auf dem Feld stehen muss.

Bei dieser EM erhielt Dirk Nowitzki nach der Pause in der Verteidigung Unterstützung durch die restlichen elf Teamkollegen, die den Türken nur noch 23 Punkte erlaubten. Sogar Robert Garrett, der den Dreierschützen Serkan Erdogan stoppte, und Marko Pesic entwickelten wie das gesamte Team ungeahnte Qualitäten in der Defensive. „Jeder der Jungs hat verstanden, was wir als Team tun müssen, um erfolgreich zu sein“, sagte Bauermann. Der Bundestrainer fasste das Geheimnis der zweiten Halbzeit (39:23) treffend zusammen. „Es war eine Mischung aus Energie, Verteidigung – und Dirk Nowitzki.“

Nun ist es nicht so, dass es sich noch nicht bis in die Türkei herumgesprochen hätte, dass die deutsche Nummer 14 zu den besten fünf Basketballspielern der Welt zählt. Trotzdem konnten die türkischen Verteidiger in der zweiten Halbzeit nichts mehr gegen ihn ausrichten. Er traf Sprungwürfe im Zurückfallen, so genannte „fade-away jump shots“, die nur schwer zu verteidigen sind. Gegen einen beweglichen 2,13 Meter großen Spieler wie Dirk Nowitzki ist das geradezu unmöglich. Es waren diese Würfe, bei denen Bauermann glaubte, Superman im Team zu haben. Doch eigentlich ist Nowitzkis Vielseitigkeit nur das Ergebnis eines jahrelangen Trainings mit seinem Mentor Holger Geschwindner, der ihn auf allen fünf Positionen schult. Nowitzki hat sich nie damit begnügt, mit seiner Größe ein guter Power Forward oder Centerspieler zu sein, sondern hat auch noch eine unglaubliche Wurfstärke entwickelt. Andere NBASpieler bilden sich nicht derartig fort. „Vince Carter ist physisch so stark, der würde nie auf die Idee kommen, dass ihm etwas fehlt“, sagt Geschwindner. Das besondere Können des US-Amerikaners aus New Jersey zeigt sich darin, dass er sechsmal im NBA-All-Star-Team spielte.

Auch bei der Nationalmannschaft entwickelt sich Nowitzki weiter. „Das ist ja immer unser Argument in Dallas, warum er für sein Heimatland spielen soll“, erklärt Geschwindner, „eigentlich sehen die das, was er hier macht, nicht gerne.“ Nowitzkis Fortschritte ließen sich gegen die Türkei erkennen. In den vergangenen Jahren hatten ihn grobe und unsportliche Mittel, wie sie die türkischen Verteidiger Kaya Peker und Emar Kurtoglu gegen ihn anwendeten, aus dem Spiel gebracht. „Sie wollten ihn frustrieren und provozieren“, sagt Bauermann, „aber es hat ihn nur so geärgert, dass er das bestraft hat.“ Der Bundestrainer glaubt, dass ihn diese Erfahrung auch für die kommende NBA- Saison stärkt. „Er wird diese Härte dort auch in den Play-offs erleben.“

In der Kabine hatte der Trainer seiner Mannschaft von seinem Traum erzählt. „Es wäre das Größte, im Finale der Europameisterschaft gegen Serbien-Montenegro zu spielen“, sagte er. Dass dieser Traum nicht in Erfüllung gehen wird, liegt nicht an der deutschen Mannschaft. Die Gastgeber sind überraschend im Überkreuzspiel an Frankreich gescheitert, und das, obwohl sie fünf NBA-Spieler aufgeboten hatten. Aber keinen Dirk Nowitzki.

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