zum Hauptinhalt
Noch weit von der Krone entfernt. Dortmunds Spieler müssen in der Champions League noch lernen, die Choreographien der Fans sind schon europäische Spitzenklasse. Foto: dapd

© dapd

Sport: Meisters Lehrjahre

Dortmund berauscht sich an der Champions-League-Premiere – doch es fehlt immer noch die Cleverness

Neven Subotic hatte noch eine Stunde nach dem Abpfiff Mühe, seine Begeisterung zu zügeln. „Unglaublich“, sprach der Innenverteidiger nach dem 1:1 gegen den FC Arsenal in dutzende Mikrophone, die ihm entgegengereckt wurden. Subotic strich sich das vom Duschen noch feuchte Haar aus dem Gesicht und schwärmte weiter: „Ich konnte kaum glauben, dass der einschlägt. Ein Traumtor!“ Was klang wir ein Heldenepos war die Schilderung des krachenden Volleytreffers, mit dem Ivan Perisic an einem denkwürdigen Abend für den späten Ausgleich des BVB gesorgt hatte.

Weil der eingewechselte Kroate für einen spektakulären Schlussakkord sorgte, darf die Rückkehr Borussia Dortmunds auf die große europäische Bühne nach achtjähriger Abstinenz mit Fug und Recht als gelungen bezeichnet werden.

BVB-Trainer Jürgen Klopp widmete das epische Werk von Perisic seinem Kotrainer Zeljko Buvac, der just an diesem Abend einen runden Geburtstag beging: „Wir wollten was fürs Album, das musste was Besonderes sein. Ich habe gesagt: Zum 50. kriegt er Arsenal, zum 60. Barça. Ich glaube, das Tor schafft es in jeden Champions-League-Trailer.“

Auch in Klopps Stimme war der Überschwang deutlich zu vernehmen. Der 44-Jährige, der gegen Arsenal wie die Mehrzahl der Spieler seine Premiere in der Champions League feierte, ist auch als Trainer immer ein Fan geblieben, der seine Begeisterung mit jeder Faser auslebt. Insofern verbrachte Klopp einen stimmungsvollen Abend, weil sein junges Ensemble die Zuschauer mit aufopferungsvollen Darbietungen mitriss.

Allerdings wird dem Analytiker Klopp nicht verborgen geblieben sein, dass der hohe Aufwand, mit dem die Dortmunder ihre Nachtschicht absolvierten, wieder einmal in schlechter Relation zum Ertrag stand. Vor allem in der starken Anfangsphase, als der BVB die Gäste von der Insel förmlich überrannte, blieben die Resultate in Form von Toren aus, weil in der brodelnden Atmosphäre die nötige Ruhe fehlte.

Woran es mangelt, bekam der Deutsche Meister kurz vor der Pause von Robin van Persie exemplarisch vorgeführt. Nach einem Fehlpass des weitgehend überforderten Rückkehrers Sebastian Kehl legte sich der Holländer den Ball zurecht und hämmerte ihn entschlossen in die Maschen. So viel Effizienz wird als internationale Klasse bezeichnet. Arsenal und van Persie besitzen sie, dem BVB geht diese Tugend ab. Für die Dortmunder muss diese Erkenntnis wie ein Déjà-vu sein. Außenverteidiger Marcel Schmelzer berichtete, wie die Spieler in der Halbzeitpause beieinander saßen, „und wir uns verdammt an Sevilla erinnert haben“. In der vergangenen Saison begeisterte die Borussia in der Europa League und schied dennoch am Ende der Gruppenphase aus.

Dieses Schicksal könnte durchaus ein weiteres Mal drohen, wenn es die Dortmunder weiterhin unterlassen, ihre stürmischen Bemühungen auf den Punkt zu bringen. Allerdings haben sie mit Mario Götze einen Protagonisten, der die Hoffnung auf Besserung nährt. Der 19-Jährige, den Arsenals Trainer Arsene Wenger zuletzt als den „vielleicht besten jungen Spieler in Deutschland“ adelte, schwang sich zum überragenden Taktgeber auf.

Es ist mitreißend zu erleben, wie der Hochveranlagte den Ball streichelt, Lücken sieht und seine Mitspieler in Szene setzt. Spätestens jetzt dürfte jedem klar sein, warum Arsenal eine 40-Millionen-Euro-Offerte für ihn abgegeben hat. Immer wieder betont Klopp, wie recht es ihm wäre, „wenn sich die Medien im Interesse des Fußballs und der Entwicklung bei der Einschätzung dieses Jungen beherrschen könnten.“ Das wird schlechterdings unmöglich sein, wenn Götze so weiter spielt. Der Jung-Nationalspieler und der späte Torschütze Perisic sorgten dafür, dass Klopp kurz vor Miternacht von einem „tollen Fußballabend für uns“ sprechen durfte.

Trotz des Jubels mochte Außenverteidiger Marcel Schmelzer nicht verhehlen, eine Gunst des Schicksals habe seinem Team die Nacht gerettet: „Dass wir am Ende so ein schönes und glückliches Tor gemacht haben, hilft uns bestimmt weiter.“ Doch wenn man eine richtige Spitzenmannschaft sein wolle, referierte Schmelzer, „müssen wir Gegner wie Arsenal auch mal knacken.“ Das wäre der nächste Schritt der schwarz-gelben Evolution. Die Dortmunder Lehr- und Wanderjahre im internationalen Ausbildungsbetrieb gehen also weiter.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false