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Brutale Brillanz. Liverpools Mohamed Salah (links) trifft zum 2:0 – da kann sich Manchesters Verteidigung noch so strecken.

© Carl Recine/Reuters

Update

Meisterschaftskampf in der Premier League: Die Weihnachtszeit wird schwer für den FC Liverpool

Der FC Liverpool dominiert unter Trainer Jürgen Klopp die Premier League. Doch die schwierigen Aufgaben kommen noch für den Tabellenführer.

Die Bilder vom vergangenen Juni bleiben unvergesslich. Als der frisch gekrönte Champions-League-Sieger FC Liverpool seinen Triumphzug durch die Hafenstadt antrat, feierten etwa 500.000 Menschen auf den Straßen. Sie tranken, sangen, kletterten auf Straßenschilder. Busparaden gibt es zwar überall, wenn Titel gewonnen werden.

In Liverpool ist aber alles noch ein bisschen leidenschaftlicher und verrückter. Diese Begeisterung ist nicht nur für die glattpolierte Welt der Premier League selten. Wie es momentan aussieht, könnte es schon bald ähnliche Bilder geben. Denn so, wie es jetzt aussieht, darf sich die Stadt für das Ende dieser Saison auf eine weitere Siegerparty vorbereiten. Und zwar dann für den frisch gekrönten Englischen Meister.

Mit dem 3:1 über den aktuellen Titelträger Manchester City am vergangenen Sonntag hat Tabellenführer Liverpool den Vorsprung in der Premier League nach zwölf Spielen auf acht Punkte ausgebaut. Leicester City und der FC Chelsea sind punktgleich Zweiter und Dritter, erst dann folgt mit einem weiteren Punkt weniger Manchester City. Von 36 möglichen Zählern hat die Mannschaft von Trainer Jürgen Klopp 34 geholt. Schon jetzt, noch bevor der Winter begonnen hat, wird im Zusammenhang mit Liverpool viel vom Meistertitel gesprochen.

Es wäre die langersehnte 19. Meisterschaft in der Geschichte des FC Liverpool, und die erste seit 30 Jahren. 1990 war es quasi undenkbar, dass Liverpool drei lange Jahrzehnten nicht mehr Meister wird. Doch so kam es, und der Schmerz wurde mit jedem Jahr heftiger. Inzwischen darf sich Liverpool nicht einmal mehr Rekordmeister nennen, weil 2011 der große Rivale Manchester United vorbeizog. Für den einst so dominanten Verein an der Nordwestküste ist der 19. Titel zur Obsession geworden.

Das weiß auch Jürgen Klopp, und will dementsprechend das Wort „Meisterschaft“ nicht in den Mund nehmen. „Wer will im November oben stehen? Man will doch im Mai der Tabellenführer sein“, sagte er am Sonntag. Der Druck, meinte er, werde noch kommen. Doch auch Klopp ließ sich von der Begeisterung über den großartigen Start etwas mitnehmen: „Das ist schon verrückt. So etwas hätte man sich nicht vorstellen können.“

Es ist aber nicht nur der große Vorsprung auf City, der Eindruck macht. Vielmehr ist es die Art und Weise, wie die Siege zustande kommen. Unter Klopp war Liverpool immer eine spannende Mannschaft, aber sie war auch immer etwas fragil. Das scheint nun nicht mehr der Fall zu sein.

Nicht immer haben sie es einfach gehabt in dieser Saison – gegen Manchester United, Aston Villa und Leicester City war es sogar richtig schwer und es mussten Tore kurz vor dem Abpfiff her. Das erinnert an das Manchester United von Alex Ferguson. Da fielen so oft späte Tore, dass die Nachspielzeit in England irgendwann „Fergie Time“ hieß. Nun redet man von der „Kloppage Time“.

Genau wie einst Fergusons United gewinnt Klopps Mannschaft mittlerweile auch, wenn sie schlecht spielt. Wenn sie gut spielt, ist sie ohnehin nicht aufzuhalten. Am Sonntag geriet City-Trainer Pep Guardiola an der Seitenlinie in Rage, weil er seine Mannschaft wieder als Opfer schlechter Schiedsrichterentscheidungen sah. Es waren aber nicht die Unparteiischen, die das Spiel entschieden, sondern die brutale Brillanz des Gegners.

Zwar entstand Liverpools erstes Tor aus einem Fehlpass von Ilkay Gündogan, aber der Schuss aus der Distanz von Fabinho war atemberaubend. Das zweite durch Mohamed Salah war noch besser. Es stand am Schluss eines feinen direkten Angriffs. Da waren noch nicht einmal 15 Minuten gespielt. Beide Tore waren typisch für den Fußball, den Jürgen Klopp spielen lässt: Sie kamen wie Donnerschläge aus dem vermeintlichen Nichts.

Meisterschaftsträume kommen noch zu früh

„Heavy Metal Football“ wird dieser Stil genannt – ein Begriff, der die Engländer entzückte, die den eher zerebralen Stil eines Guardiolas oder Arsene Wengers immer mit Skepsis betrachtet haben. Mittlerweile ist es auf der Insel angekommen, dass hinter Klopps Erfolg mehr als nur Lärm und Lustigkeit steckt, aber er wird trotzdem vor allem als eine Art tapferer Anti-Intellektuellen gefeiert. „Take That, Pep!“ lautete die Schlagzeile nach dem Sieg gegen City. Nimm das, Pep!

Freund und Feind. Jürgen Klopp (l.) und Pep Guardiola schätzen sich.
Freund und Feind. Jürgen Klopp (l.) und Pep Guardiola schätzen sich.

© Peter Byrne/dpa

Es ist noch zu früh, um ernsthaft von der Meisterschaft zu sprechen. Um sich wirklich als klarer Favorit zu etablieren, muss Klopps Mannschaft erst einmal den Dezember mit den vielen Spielen überleben. Vor einem Jahr klappte das, der kleine, aber entscheidende Einbruch kam erst später. 2019 aber wird die Zeit um Weihnachten für Liverpool besonders schwer, weil der Champions-League-Sieger auch noch die Klub-WM bestreiten muss.

Die Anhänger träumen dennoch längst vom ersten Meistertitel seit 30 Jahren. Wie schon öfter in den letzten Jahren. 2009 und 2014 gab Liverpool in dramatischer Weise kurz vor Saisonschluss die Meisterschaft aus der Hand. Im Frühling 2019 landete man trotz sagenhafter 97 Punkte knapp hinter City.

Klopps Gesicht ist schon jetzt überall in Liverpool präsent, egal ob auf Fanartikeln im Stadion oder auf den Wänden von Häusern. Wenn es ihm tatsächlich gelingt, in dieser Saison den letzten Schritt zu gehen, wird er wahrscheinlich in der Stadt zum Heiligen ernannt. Und die Bilder von der Siegerparty werden für immer und ewig unvergesslich bleiben.

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