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Sport: Melodien für Volkmarode

Zwei Musiker aus Osnabrück versorgen kleine Fußballklubs in ganz Deutschland mit maßgeschneiderten Vereinshymnen.

Alles begann vor zwölf Jahren mit einem eher schlichten Reim: Nahne – Fahne. Nach einer Feier des Osnabrücker Sportvereins TuS Nahne kam der Präsident zu den beiden Klubmitgliedern und Musikproduzenten Peter Plogmann und Christian Wiesing. Sein Auftrag: Eine Hymne musste her. Also machten sich Plogmann (39 Jahre) und Wiesing (38) ans Texten und Komponieren, heraus kam ein eingängiges kleines Stück Musikgeschichte: „Wir schwenken die Fahne für unseren TuS Nahne, wir woll’n immer alles geben – TuS Nahne, unser Leben.“ Der Song wurde im Klub begeistert aufgenommen, auch die beiden Musiker fanden Gefallen am Hymnenschmieden. „Das war so ein Volltreffer“, erinnert sich Peter Plogmann, „dass wir daraus eine Geschäftsidee gemacht haben.“ Denn eines war ihnen sofort klar: Nahne ist eigentlich überall.

Die Entertainisierung des Sports macht vor der Kreisliga nicht halt. Nicht nur Schalke, Bayern und der FC Liverpool brauchen Musikmaterial, mit dem sie ihre Fans beschallen, auch immer mehr deutsche Sportvereine aus den untersten Klassen wünschen sich eigenes Liedgut. Hier setzt die Grundidee der beiden Musiker ein, die Plogmann so zusammenfasst: „Professionelle Hymnen für Vereine, die sich eigentlich gar keine leisten können.“ Gemeinsam mit Wiesing, seinem ehemaligen Kollegen der Rockband „Nackt“, stellt Plogmann zuverlässig und nach eigenem Bekunden auch kostengünstig Hymnen her. Ihr Unternehmen O-tonmusic aus Osnabrück hat schon fast 1000 identitätsstiftende Mitklatsch-Schunkel-Hits produziert, für Sportvereine im ganzen Land.

Egal ob Eishockey-, Handball-, oder Basketballmannschaft: Jeder Verein wird von den Osnabrückern auf Wunsch bedient. Sogar ein Dart-Club steht in ihrer Kundenkartei. Rund 80 Prozent der Bestellungen kommen aus dem Fußball, auch 24 Frauenteams wollten sich bislang musikalisch verewigt wissen. Höher als in der Oberliga spielt allerdings keiner der Auftraggeber von O-tonmusic. Auf der Referenzliste des Osnabrücker Duos stehen klanglose Namen wie der Husumer SV, der TuS Drommerhausen oder die SpVgg Deggendorf.

Die beiden Musiker versprechen, dass die jeweilige Hymne „individuell komponiert“ und „ganz auf das vereinsinterne Profil zugeschnitten“ ist. Ist ein Auftrag erteilt, wählt das Duo eine von 64 fertigen Melodien aus. „Wir garantieren mit Hilfe eines Postleitzahl-Computerprogramms, dass eine Melodie nur für einen Verein in 150 Kilometer Umkreis Verwendung findet“, sagt Plogmann. Nur einmal habe sich ein Verein beschwert, dass er auf der gleichen Melodie wie ein anderer besungen werde. „Aber der andere Verein war 780 Kilometer entfernt. Die hatten die Hymne auf Facebook entdeckt. Dabei sagen wir immer vorher, dass man für unseren Standardpreis nichts exklusiv bekommt.“ 429 Euro kostet das Hymnen-Basis-Angebot. Wer mehr haben will, kann auch eine Zusatzpaket mit einer „Hells Bells“ von AC/DC ähnelnde Einlaufmusik, Torjingles und Karaokeversionen ordern.

Während der 150-Kilometer-Radius reicht, um jedem Verein eine musikalisch-individuelle Lösung zu sichern, ist für die textlich-individuelle Seite der Hymne Zuarbeit vonnöten. Die Musikproduzenten lassen sich über die wichtigsten Eckpunkte der Vereine informieren, also Gründungshistorie, Vereinsfarben, Spielort und natürlich sportliche Höhepunkte. Beim SC Volkmarode aus Niedersachsen sind das die Spiele im „Wolters-Pokal“, an die sich alle erinnern, nämlich „auf jeden Fall“, wie es in der Hymne treffend und fast sogar rhythmisch heißt. Mit angerauter Stimme auf poppigem Melodiengrund geht es im Refrain tollen Zeiten entgegen: „Wir sind alle Volkmaroder Jungs, Wir halten fest zusammen, Haben ’ne goldene Zukunft. Bis ans Ende der Welt nur mit Dir: Volkmarode, unsere Treue schwören wir nur Dir, nur Dir.“

Dass die sportlichen Aussichten für alle besungenen Vereine gleichermaßen toll sind, widerspricht zwar jeder Logik, folgt aber dem allgemeinen Muster des Liedgenres. „Wir sind der SV 08, Wir geben alles bei Tag und bei Nacht, Zusammen sind wir einfach unschlagbar: Hilsbach, Du bist eine Macht!“, heißt es beispielsweise in der Hymne auf den badischen SV Waldhilsbach. Träfe dieser mal auf die Sportunion Neckarsulm, wären die Fanchöre allerdings schwer auseinander zu halten: „In Neckarsulm sind wir die Macht, In Schwarz und Blau wird zuletzt gelacht: bei Tag und bei Nacht!“

Kommt ein Auftraggeber vor lauter Zuletztlachen mal nicht mehr in den Schlaf, feilen die Musiktexter im Übrigen so lange am Stück, bis der Kunde zufrieden ist. „Die Vereine merken, dass wir keine Fließbandarbeit machen, sondern auf sie eingehen“, sagt Peter Plogmann. Den Preis von 429 Euro hält er deshalb für gerechtfertigt und „auch für kleine Vereine noch machbar“. Voll Stolz berichtet der gelernte Außenhandelskaufmann, wie er mit seinem Partner ein wenig zum Gemeinschaftsgefühl an der Amateurbasis beiträgt: „Oft wird uns erzählt, dass die Jugendspieler ihre Vereinshymne sogar als Klingelton auf dem Handy haben.“

Die Dankbarkeit für ein kleines bisschen Glamour zeigt sich auch an Einladungen aus der ganzen Republik. Manche Vereine möchten, dass die Komponisten die Hymne einmal live im Stadion aufführen. „Aber wir sind ja froh, dass wir nicht mehr live auftreten müssen“, sagt Plogmann. „Das hatten wir jahrelang mit unserer Band.“ Außerdem seien die Hymnen im Studio mit so vielen Samples eingespielt, „dass es eigentlich eine sechsköpfige Band bräuchte, um das live hinzukriegen“. Stattdessen kommen die Musikfans mittlerweile zu ihnen nach Osnabrück. „Wir haben unser Studio sogar ausgebaut, weil wir unsere Kunden immer öfter einladen. Die kommen auf Vereinsfahrt mit zwei Kästen Bier vorbei und nehmen an der Produktion teil, in dem sie den Chorus gleich selbst einsingen.“ Das Geschäft brummt, spätestens seit 2006, als die Heim-Weltmeisterschaft bei bundesdeutschen Fußballvereinen eine wahre Hymnenschwemme auslöste.

Trotz des Zuspruchs wurde noch kein Plogmann/Wiesing-Lied von der Deutschen Akademie für Fußballkultur für den besten Fußballsong des Jahres nominiert, die beiden Musiker wollen sich jetzt aber mit einem Song bewerben. „Natürlich sind unsere Lieder ein Stück Fußballkultur, weil sie einen großen Einfluss auf den Zusammenhalt und die Begeisterung in den Vereinen haben“, sagt Plogmann und fügt hinzu: „Wir schlagen mit unseren Liedern eine Brücke zwischen Fußball- und Popkultur.“ Ein Musikstück aus dem Hause O-tonmusic lief immerhin sogar einmal im Bremer Weserstadion, im ganz großen Bundesliga-Fußball. Es handelte sich jedoch nicht eine neue Werder-Hymne, sondern um eine von ihnen komponierte Bierwerbung.

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