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Sport: Mensch besiegt Maschine

Weltmeister Wladimir Kramnik überlistet zum ersten Mal den Schach-Computer Deep Fritz

Von Martin Breutigam

Der 11. Mai 1997 war ein recht trauriges Datum für die Menschheit. An diesem Tag verlor der damalige Schachweltmeister Garry Kasparow die entscheidende sechste Partie gegen den IBM-Rechner Deep Blue. Das Duell Mensch gegen Maschine schien nun auch auf dem Schachbrett ein für allemal entschieden zu sein. Die IBM-Aktien stiegen prompt, und bei potenziellen Sponsoren sank das Interesse am Schachsport fortan merklich.

Seit vergangenen Freitag versucht Wladimir Kramnik, der Kasparow vor zwei Jahren den WM-Titel abnahm, die Überlegenheit der Computer als Mythos zu entlarven. Kramniks elektronischer Gegner heißt Deep Fritz, ist im Laden für 99 Euro zu kaufen und wird derzeit in Manama, der Hauptstadt des arabischen Inselstaates Bahrain, von acht parallel geschalteten 900-Megaherz-Prozessoren angetrieben.

Kramnik bereitete sich auf diesen Vergleich vor, als ginge es um einen WM-Titel. Wochenlang hat er sich mit der Deep-Fritz-Software beschäftigt und jüngst Christopher Lutz, Deutschlands besten Schachspieler, als Sekundanten engagiert. Die ersten beiden von insgesamt acht zu spielenden Partien machten deutlich, dass sich der Aufwand für den 27-jährigen Russen zu lohnen scheint: Kramnik gewann die zweite Partie und führt nun mit 1,5:0,5 Punkten. Falls er den Wettkampf gewinnen sollte, würde er eine Million US-Dollar Preisgeld erhalten, spendiert von Bahrains König Hamad bin Isa Al Khalifa.

Er müsse, sagte der Champion vor dem Duell, anders spielen als gegen einen menschlichen Gegner und versuchen, den Computer in Stellungen locken, die dieser nicht verstehe. Nach Auffassung des Weltmeisters spielt Deep Fritz wesentlich besseres Schach als Deep Blue vor fünf Jahren, obwohl dieser etwa 200 Millionen Stellungen pro Sekunde prüfte. Deep Fritz schafft nur etwas mehr drei Millionen Züge pro Sekunde.

Dies reicht aber immer noch, um das Geschehen fünf bis acht Züge perfekt im Voraus zu berechnen. Doch wie es hinter diesem so genannten Rechenhorizont weiter geht, ist für Schachcomputer nach wie vor kaum zu bewerten. Strategisches Denken bleibt eben eine Qualität des Menschen. So gesehen war Kramniks Anti-Computer-Strategie in den ersten beiden Partien vorbildlich: Er vermied taktische Duelle, sondern strebte jeweils frühzeitig Damentausch an.

Zum Auftakt gelang ihm ein müheloses Remis mit den schwarzen Steinen. In Runde zwei sammelte er, unmerklich für seinen Gegner, kleine Vorteile und wickelte im 57. Zug ein gewonnenes Bauern-Endspiel ab. Einiges verwunderte Kramnik an Deep Fritz: „Auf solche Ideen können nur Computer kommen." Insbesondere der 12. Zug löste unter den kommentierenden Großmeistern Kopfschütteln aus.

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