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Herr über alle Bälle. Herthas Trainer Babbel arrangiert sich mit der sportlichen Lage und dem Berliner Winter.

© Ottmar Winter

Merkwürdige Stimmungslage: Hertha: Gegen den Frost, gegen das Phlegma

Hertha BSC zwischen sportlicher Minikrise und finanzieller Baisse: Langjährige Mitglieder sind irritiert von einer selten erlebten Gleichgültigkeit.

Berlin - Fußballspieler laufen nicht besonders gern, wenn es nur ums tägliche Training geht. Aber was will man machen, wenn der Bodenfrost die Füße angreift und der Wind die Gesichter vereist? Bei Hertha BSC sind sie schon mal mit größerem Widerwillen über den Platz getrabt als gestern, beim vorzeitigen Wintereinbruch in Berlin. Knapp zwei Stunden lang ließ Trainer Markus Babbel das Umschalten von Abwehr auf Angriff üben, und dem einen oder anderen Profi dürfte dabei bewusst geworden sein, wie kuschelig es noch am Vorabend zugegangen war. Beim Tête-à-Tête mit der Basis, das in einer sportlich angespannten Phase bei Hertha selten so ruhig ablief wie bei der Mitgliederversammlung am Dienstag.

Der emotionale Höhepunkt des Abends war erreicht, als Wolfgang Holst auf die Bühne gerufen wurde. Jener Herr also, der vor gefühlt grauer Urzeit dem Fußballklub Hertha BSC als Präsident diente und nun dem Ältestenrat angehört. Holst wurde geehrt für seine 50-jährige Vereinsmitgliedschaft. Da Holst schon alle Auszeichnungen erhalten hat, sogar die goldene Ehrennadel mit Brillanten, wie Gegenbauer erzählte, erhielt er nun den Ehrenschild.

Holst, 88 Jahre alt, ist so etwas wie Herthas Johannes Heesters. Eine Rede von ihm war eigentlich nicht vorgesehen. Doch Holst einen Auftritt am Mikrofon zu untersagen, das wäre ungefähr so, als untersagte man Heesters das unvermeidliche Ständchen. „Liebe Freunde“, hob Holst unter dem Applaus der rund 900 anwesenden Mitglieder an: „Ich war nicht immer der Beste und ich war nicht immer der Erfolgreichste.“ Er schloss seine Ausführungen mit einem einzigen Wunsch, dass Hertha im kommenden Mai wieder in die Bundesliga aufsteigt.

Das mit den Wünschen hatte Holst an diesem Abend nicht exklusiv. Doch wünschte manches Mitglied sich diese Offenheit und Ehrlichkeit der aktuellen Führung. So aber entwickelte sich ein Abend im ICC-Saal, der von einer merkwürdigen Stimmung geprägt war. Einige langjährige Mitglieder, darunter selbst ein paar aus dem Präsidium, sprachen später von einer selten erlebten Gleichgültigkeit. Man könnte diese vielleicht am ehesten mit jener vergleichen, die sich durch die letzten Auftritte der Profimannschaft zog .

Michael Preetz hinterließ noch den kämpferischsten Eindruck. Der gute Saisonstart habe vermutlich alle im Klub in „eine trügerische Ruhe versetzt“, sagte Herthas Manager und versprach Besserung auf ganzer Linie: „Der November war nicht unser Monat, der Dezember soll es werden.“ Der Applaus war ihm sicher, aber es war ein Applaus, in den sich auch etwas Unbehagen mischte. Die Mannschaft steht bis zur Winterpause vor drei schweren Spielen und inzwischen dürfte auch das optimistischste Vereinsmitglied realisiert haben, wie ernst es um den Verein wirtschaftlich steht, wie sehr Hertha auf den direkten Aufstieg angewiesen ist.

Genau darum ging es dann am Mittwoch. Zur nachmittäglichen Stunde nach dem frostigen Training, als der Mannschaftsrat und ausgewählte Führungsspieler zusammenkamen, um über die trotz eines Minirückstandes von einem Punkt auf Platz eins sportlich doch eher angespannte Lage zu beraten. Erste Ergebnisse könnten die Spieler auf die ihnen eigene Weise am Sonntag präsentieren. In München, beim Auswärtsspiel gegen den TSV 1860. Nach zuletzt zwei Niederlagen gegen Osnabrück und Duisburg wird es mal wieder Zeit für drei Punkte.

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