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Sport: „Messer zwischen den Zähnen“

Spaniens Presse lobt die Bayern und übt harte Kritik an Real

Madrid. Die spanischen Massenmedien waren sich diesmal einig – so schlecht wie am Dienstag im Münchner Olympiastadion hat Real lange nicht mehr gespielt. Viele Aficionados, wie die Fußballbegeisterten auf der iberischen Halbinsel genannt werden, verfolgten das für sie ernüchternde Geschehen vor Fernsehern in Bars und Kneipen. Daheim konnte sich das Spiel nur derjenige anschauen, der einen Pay-TV-Kanal abonniert hat. Und wenn sich die Emotionen wieder einmal öffentlich Bahn brachen, dann ging es in der Madrider Innenstadt, wie so oft bei solchen Anlässen, ausgesprochen hoch her.

„In seinen besten Momenten spielte Madrid ein Spiel ohne Substanz, in seinen schlechtesten konnte man das, was da geboten wurde, überhaupt kein Spiel nennen“, kritisierte die Tageszeitung „El Pais“ die Leistung der „Galacticos“, der „Außerirdischen“, wie die hoch bezahlten Fußballstars des Klubs von ihren Fans genannt werden. Doch besondere Leistungen, geschweige denn außerirdische gar, konnte keiner der Kommentatoren der spanischen Medien bei Real erkennen. „Die Mannschaft spielte ihr farblosestes Spiel während der ganzen Saison“, schrieb „El Mundo“. „Die ersten 45 Minuten waren geprägt von nervösen Spaniern, die von Selbstzweifeln geplagt wurden, und von Deutschen, die ausgesprochen kraftvoll aufspielten. Sie stürmten los mit einem Messer zwischen den Zähnen, kämpften um jeden Handbreit Boden und ließen sich von ihrem Gegner überhaupt nicht beeindrucken.“

Fast alle spanischen Fußballer erhielten für das, was sie im Olympiastadion boten, schlechte Noten. Die Leistungen von Stars wie Raul, Zidane, Beckham, Ronaldo und Guti wurden von „El Mundo“ mit nur einem Stern bewertet, was einem Mangelhaft gleichkommt, bestenfalls noch einem Ausreichend. Auch das so intensiv geübte Zusammenspiel zwischen Beckham und Guti im Mittelfeld trug keine Früchte. Nur zwei Akteure von Real Madrid wurden von der Presse gelobt: Torwart Casillas und Verteidiger Helguara. Beiden bescheinigte man Übersicht und Effizienz. Bei Figo, der das Madrider Spiel eigentlich bestimmen sollte, hielten sich bei der Bewertung Licht und Schatten die Waage. „Er trat ein paar Mal in Erscheinung und zeigte, dass in der Nähe von Kahn auch so etwas wie eine spanische Mannschaft existierte.“ Roberto Carlos, Schütze des Ausgleichstores, wurde von den Medien ebenfalls weitgehend geschont.

Natürlich spielte in der spanischen Öffentlichkeit auch der Patzer von Oliver Kahn eine herausragende Rolle, und so nimmt es nicht Wunder, dass „El Pais“ titelte: „Kahn erweist den Galacticos einen Gefallen.“ Und „El Mundo“ eröffnete seine Berichterstattung mit den Sätzen: „Oliver Kahn öffnete die Tür zum Unentschieden. Der folgenschwere Irrtum des deutschen Torwarts, der den Schuss von Roberto Carlos unter seinem Körper durchrutschen ließ, rettete Real das Leben.“

In vielen Beiträgen war auch von der außergewöhnlichen Kälte in München die Rede, die für die Spieler fast unerträglich gewesen sei. Dem Rückspiel im Bernabeu-Stadion in Madrid sehen viele Spanier entspannt entgegen. „Die Weißen verließen das Olympiastadion ohne den bitteren Geschmack der Niederlage, sondern mit einem Remis, das ein Weiterkommen in der Champions League in greifbare Nähe rücken lässt.“

Michael Ludwig

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