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Gute Freunde kann Real trennen. Khedira (l.) und Özil werden nur noch in der Nationalmannschaft gemeinsam spielen.

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Update

Mesut Özil: Heute Held, morgen überflüssig

Der Rekordtransfer des deutschen Nationalspielers Mesut Özil zum FC Arsenal zeigt, mit welch kaltem Kalkül Real Madrid seinen Betrieb führt. Für Ex-Trainer José Mourinho ist Özil „der beste Zehner der Welt“.

Seit Montag halten sich die Fußball-Nationalspieler jetzt schon in München auf; doch dass es seitdem nur am Rande um Fußball im Allgemeinen und das WM-Qualifikationsspiel gegen Österreich im Besonderen gegangen ist, das kann man sich leicht ausmalen. „Der Montag war kein Tag für die Trainer“, berichtete selbst Oliver Bierhoff, der Manager des Teams. An Training war angesichts der aktuellen Ereignisse nicht zu denken. Die Nationalspieler mussten am Montag die Bedürfnisse diverser Sponsoren bedienen.

Bierhoff ist bei der Nationalmannschaft der Mann für die Botschaften. Gestern war er rührend darum bemüht, die Botschaft zu platzieren, dass die Nationalmannschaft am Freitag ein wichtiges Spiel zu bestreiten hat. Immer wieder hob er dessen besondere Bedeutung hervor, „der volle Fokus“ müsse nun auf Österreich gelegt werden. Dann wurde ihm gleich die nächste Frage zu Mesut Özil gestellt, zu dessen ebenso überraschendem wie spektakulären Wechsel nach London. Rund 50 Millionen Euro soll Real Madrid vom FC Arsenal für den deutschen Nationalspieler erhalten, was den 24-Jährigen nicht nur zum teuersten Fußballer Deutschlands macht, sondern auch zum teuersten Spielerverkauf in der Geschichte Reals.

Geld hat bei diesem Transfer eine nicht unwesentliche Rolle gespielt. Tags zuvor hatte der spanische Rekordmeister für ungefähr das Doppelte Gareth Bale erstanden, und selbst Real, in Finanzdingen nicht unbedingt konservativ veranlagt, muss solche Transfers irgendwie bezahlen. So hat die Personalie Özil vor allem offenbart, mit welch kaltem Kalkül in der Unterhaltungsbranche Fußball zu Werke gegangen wird. In seiner Gier nach immer neuen Attraktionen nimmt Real Madrid, ein Zirkusbetrieb im Gewande eines Fußballklubs, auf persönliche Befindlichkeiten wenig Rücksicht; wer heute Held ist wie Özil, kann morgen schon überflüssig sein.

Der Verkauf von Mesut Özil entsprang einer kühlen Rechnung

In seinen drei Jahren in Madrid hat sich Mesut Özil nicht nur nichts zuschulden kommen lassen, seine Leistungen wurden von Reals traditionell anspruchsvollem Publikum durchaus goutiert. Aber qua Ausstrahlung ist er eben nicht der globale Superstar wie sein bisheriger Kollege Cristiano Ronaldo und damit unantastbar. Özils Verkauf entsprang einer kühlen Rechnung. Das Verhältnis zwischen (sportlichem) Verlust und (pekuniärem) Gewinn ist bei diesem Transfer mutmaßlich so günstig wie bei keinem anderen Spieler aus Reals Kaders.

„Man muss versuchen, so etwas unemotional zu akzeptieren“, sagte Bierhoff. Wenn ein neuer Trainer mit neuen Vorstellungen komme wie jetzt Carlos Ancelotti bei Real, könne es eben sein, dass ein bestimmter Spieler in seinem Konzept plötzlich keine große Rolle mehr spiele. „Mit gut oder schlecht hat das nichts zu tun“, sagte der Manager der Nationalmannschaft. Das belegen auch die Kommentare von Ex-Trainer José Mourinho, der Özil vor drei Jahren zu Real Madrid holte. Noch immer ist der Trainer des FC Chelsea vom deutschen Nationalspieler begeistert. „Özil ist einzigartig, es gibt keine Kopie von ihm. Er ist der beste Zehner der Welt“, zitierte das spanische Sportblatt „AS“ Mourinho zu Wochenbeginn. Auch Reals Torjäger Cristiano Ronaldo äußerte sich nach „AS“-Informationen verärgert darüber, dass der spanische Rekordmeister den deutschen Nationalspieler an den Londoner Klub abgab. „Der Weggang von Özil ist eine sehr schlechte Nachricht für mich“, zitierte das Blatt am Mittwoch den Portugiesen.

Dann folgten das Ligaspiel gegen Bilbao, bei dem Mesut Özil 90 Minuten auf der Bank saß, und die Verpflichtung von Gareth Bale

Als Özil am Montagabend nach seinem Medizincheck in London bei der Nationalelf eintraf, hat Bierhoff den jungen Mann „äußerlich vollkommen entspannt, sehr aufgeräumt und sehr freudig“ erlebt. Wie es jedoch in seinem Inneren aussah, das wollte Özil nicht vor der großen Öffentlichkeit ausbreiten. Anstatt sich der Presse zu stellen, offenbarte er sich allein vor einer Kamera des DFB. „Ich habe in den letzten Tagen gemerkt, dass ich das Vertrauen des Trainers nicht habe“, berichtete Özil. Es muss eine ziemlich plötzliche Erkenntnis gewesen sein, nachdem er noch vor knapp einer Woche verkündet hatte, er werde auf jeden Fall bei Real Madrid bleiben. Möglicherweise war er davon sogar überzeugt. Doch dann folgten das Ligaspiel gegen Bilbao, bei dem er 90 Minuten auf der Bank saß, und die Verpflichtung Bales. Es waren recht eindeutige Signale vonseiten des Vereins. „So ist das Fußballgeschäft“, sagte Özil. Und dass er sich jetzt einfach freue auf seinen neuen Klub, die neue Stadt, den neuen Trainer, die neuen Kollegen, von denen ihm Lukas Podolski und Per Mertesacker schon aus der Nationalmannschaft vertraut sind.

Sami Khedira verliert bei Real einen „sehr, sehr guten Freund“ in der Mannschaft

Oliver Bierhoff, der Mann für die freudigen Botschaften, bezeichnete Özils Wechsel nach London sogar als absolut positiv, weil er bei Arsenal viel mehr in der Verantwortung stehe als unter all den Stars bei Real: „Für seine sportliche Entwicklung ist das der richtige Schritt, gerade unter dem Aspekt, dass WM-Jahr ist.“ In London wird Özil wohl regelmäßig spielen; bei Real bestand diese Aussicht realistisch betrachtet nicht mehr. So sprach nur Sami Khedira sein persönliches Bedauern über den Wechsel aus, weil er mit Özil bei Real einen „sehr, sehr guten Freund“ in der Mannschaft verliert. „Aber das ist seine persönliche Entscheidung“, sagte Khedira – als wenn Özil nicht mehr oder weniger aus Madrid vertrieben worden wäre.

Khedira weiß natürlich, dass solche Entscheidungen an anderer Stelle getroffen oder zumindest mit getroffen werden. Für ihn selbst lag in diesem Sommer ein Angebot von Manchester United vor. „Der Verein hat das Angebot abgelehnt“, berichtete Khedira. Außerdem habe er sehr gute Gespräche mit dem neuen Trainer Ancelotti gehabt: „Danach war mir relativ klar, dass ich diese Saison bei Real bleibe.“

Vor einer Woche hat Mesut Özil das auch noch gedacht. (mit dpa)

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