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High five. Am Tag der Talentwahl tauchte ein Video auf, in dem Laremy Tunsil beim Kiffen zu sehen war. Darauf verschmähten ihn viele Teams – heute könnten sie es bereuen.

© AFP

Miami Dolphins in den NFL-Play-offs: Dank Laremy Tunsil so gut wie lange nicht

Dank des einst umstrittenen Laremy Tunsil erreichen die Miami Dolphins wieder die NFL-Play-offs. Am Sonntag spielen sie in Pittsburgh.

Dicker Rauch quoll dem Mann mit der Gasmaske aus dem Mund. Kaum verwunderlich, hatte er doch gerade tief eingeatmet aus der Bong, die vor ihm stand. Zu sehen war das Ganze im Internet, der Clip war ein bisschen verwackelt, ging nur 30 Sekunden, reichte aber, um dem Maskenmann beträchtlichen Schaden zuzufügen. Schaden in Millionenhöhe. Etwa zehn Millionen Euro dürfte er dadurch verloren haben.

Es handelte sich dabei um Laremy Tunsil, einen 22 Jahre alten, hochbegabten Footballspieler, dem eine vielversprechende Karriere in der National Football League (NFL) vorausgesagt worden war. Dumm nur, dass das Video rund eine Stunde vor dem Draft, der jährlichen und landesweit übertragenen Talenteziehung, im Netz auftauchte. Jemand hatte seinen Twitter-Account gehackt, vermutlich sein Stiefvater. Da spielte es auch keine Rolle, dass das Video alt war, wie sich später herausstellte – und dass Tunsil in der Vergangenheit alle Drogentests bestanden hatte. Viele Manager nahmen Abstand von seiner Verpflichtung. Name um Name wurde aufgerufen, ehe sich die Miami Dolphins seiner annahmen und als Dreizehnte endlich zugriffen. Wochen zuvor war er noch als mögliche Nummer eins des Jahrgangs gehandelt worden, was ihm ein deutlich höheres Einstiegsgehalt eingebracht hätte.

In Miami langte es immer noch zu zwölfeinhalb Millionen US-Dollar für vier Jahre, aber viel frustrierender als das Abrutschen beim Draft war, dass Tunsil bei den Dolphins gelandet war. Die einst so stolze Franchise, fünffacher Super-Bowl-Teilnehmer und zweifacher Sieger, Heimat von Quarterback-Legende Dan Marino, dümpelte seit Jahren im Mittelmaß umher und galt als Karrieregrab für talentierte Spieler vom College. Nach Miami gingen lange nur die, die ihren sportlichen Höhepunkt gerade überschritten hatten und noch mal ihr Rentenkonto aufbessern wollten. Schwierige Charaktere sorgten für ein vergiftetes Klima innerhalb der Umkleide und auf der Trainerposition wurde ständig gewechselt. Sportlich lief es nicht, die letzte Play-off-Teilnahme datierte aus der Saison 2008. Dann kam der Maskenmann, dann kam Laremy Tunsil.

Tunsil ist einer dieser menschlichen Schränke aus der Offensive Line

Nach vier Monaten lässt sich sagen: Den Dolphins ist ein echter Glücksgriff gelungen. Miami erreichte zum ersten Mal seit acht Jahren wieder die K.-o.-Runde und tritt dort am Sonntag bei den favorisierten Pittsburgh Steelers (19 Uhr, live bei Pro Sieben Maxx) an. Die erfolgreiche Vorrunde mit zehn Siegen ist eng mit Tunsil verknüpft. Ihm ist es hauptsächlich zu verdanken, dass gegnerische Verteidiger nur schwer zu Miamis Quarterback durchkommen.

Tunsil ist einer dieser menschlichen Schränke aus der Offensive Line, deren Aufgabe es ist, dem eigenen Spielmacher möglichst viel Zeit zum Werfen zu verschaffen oder dem Ballträger, genannt Running Back, Lücken zum Durchlaufen zu blocken. Beides beherrscht er perfekt. Mit seiner Statur von 1,96 Meter bei 145 Kilogramm ist er nur schwer aus dem Weg zu räumen. Seine Leistungen ermöglichten Running Back Jay Ayayi das mit Abstand beste Jahr seiner Karriere. Die Offensive Line, lange eine Schwäche der Dolphins, ist mit Tunsil zu einem Vorteil geworden. „Aufgrund seiner Athletik ist er in der Lage, außergewöhnliche Blocks zu kreieren“, schreibt NFL-Fachmann Daniel Jeremiah. Tatsächlich ist Tunsil der Prototyp eines modernen Lineman. Wo früher unbewegliche Kolosse standen, dominieren heute Athleten, die trotz ihrer Körpermaße noch ungemein schnell und vergleichsweise wendig sind. „Diese Jungs sind viel flinker auf den Beinen, als sie aussehen“, sagt Björn Werner, der Berliner, der in der NFL bis letzte Saison für die Indianapolis Colts spielte und derzeit ohne Anstellung ist.

Laremy Tunsil muss sich nach seiner eindrucksvollen Debütsaison keine Sorgen um die Zukunft machen. Die meisten Teams, die ihn verschmähten, dürften das mittlerweile bereut haben.

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