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Michael Preetz: Der ungewollte Erbe

Lange hat sich Herthas Manager Hoeneß um die Nachfolgerfrage gedrückt – jetzt schob er selbst unfreiwillig seinen Lehrling Michael Preetz in Position.

Ob Dieter Hoeneß die Geschichte von Mick Jagger und der Playback-Affäre kennt? Mitte der neunziger Jahre behauptete der „Spiegel“, die Rolling Stones würden bei ihren Konzerten vorproduziertes Klangmaterial einsetzen. Keine große Sache, zu wilden alten Zeiten hätte sie den Stones allenfalls ein müdes „Fuck You!“ entlockt. Der in die Jahre gekommene Frontmann Jagger aber schickte sofort eine Armada von Anwälten los und verlangte eine Gegendarstellung, was den schönen Nebeneffekt hatte, dass auf einmal die ganze Welt aufhorchte und lästerte, die größte Rock-’n’-Roll- Band aller Zeiten lasse ihre Liveauftritte vom Band einspielen.

Nun spielen die Rolling Stones in einer anderen Liga als die Fußballprofis von Hertha BSC. Dieter Hoeneß ist nicht Mick Jagger. Doch wie dem Oberstone vor zehn Jahren gelang es Herthas Manager am Montagabend, aus einer Miniaffäre eine große Nummer zu machen. Am Ende der eher beschaulichen Mitgliederversammlung des Berliner Bundesligisten hatte er sich unversehens einen Konkurrenten aufgebaut. Auf einmal stand Michael Preetz, der Hoeneß unterstellte Leiter der Lizenzspielerabteilung, als Herthas Mann der Zukunft da.

Am Anfang war Belangloses. Wolfgang Holst, Herthas Präsident zu früheren Skandaljahren, und Heinz Striek, der Vorsitzende des Ältestenausschusses, hatten Hoeneß’ Machtfülle kritisiert, die holprige Saisonvorbereitung und die überhastete Zusammenstellung der Mannschaft. Alles Sachen, über die man reden kann, wie auch über die Forderung, dem bei den Fans beliebten Ex-Profi Preetz die sportliche Entscheidungsgewalt zu übertragen. Hoeneß ist bei Hertha in Personalunion für das operative Geschäft und die sportliche Leitung zuständig, warum sollte er nicht einen Job delegieren? Da die betagten Herren Striek und Holst aber für ein paar andere, eher weltfremde Anregungen vom Publikum ausgelacht wurden, war der diskussionswürdige Teil der Kritik längst vergessen. Nur nicht bei Dieter Hoeneß, der sich via Mikrofon wünschte, „dass der Michael Preetz auch mal was dazu sagt“.

Diese Volte war improvisiert, und alle Anwesenden im ICC ahnten, was Hoeneß einforderte: eine Solidaritätserklärung.

Er bekam sie, aber anders als wohl erhofft. Unvorbereitet kam Preetz aus der Tiefe des Saals und hielt eine Rede, die ein kleines Meisterstück war. Er lobte die Zusammenarbeit mit Hoeneß, „in den vergangenen Jahren habe ich viel gelernt“. Seine Meinung sei gefragt, „ich spiele gern Doppelpass mit Herrn Hoeneß“. Es folgten die entscheidenden Sätze: „Bis 2010 heißt der Spielführer bei Hertha BSC Dieter Hoeneß.“ So lange läuft sein Vertrag. „Es ist mein Ziel, sein Nachfolger zu werden, das habe ich schon oft gesagt.“

Nein, das hat er eben noch nie gesagt, jedenfalls noch nicht so deutlich und an so exponierter Stelle. In seiner Außenwirkung ist Preetz seit seinem Wechsel vom Fußballplatz in die Geschäftsstelle bisher vor allem durch seine Unauffälligkeit aufgefallen. Viele hatten ihn seiner Eloquenz wegen als Herthas Stimme in der Öffentlichkeit favorisiert. Doch diese Rolle beansprucht Hoeneß für sich, so dass Preetz im Hintergrund blieb. Bis zum Montag, als ihm Hoeneß die Bühne bot, auf der Preetz seine Ambitionen unter Beifall vortragen durfte. Ein Hertha-Funktionär staunte: „Der Hoeneß hat Preetz aufs Eis geschoben und nicht damit gerechnet, dass er Schlittschuhe an den Füßen haben würde.“

Hoeneß hat zwar schon mehrfach sein Ausscheiden aus dem operativen Geschäft für das Jahr 2010 angekündigt. Über seine Nachfolge aber schweigt er. Weil er sich am Ende doch überreden lassen will, mangels geeigneter Kandidaten seinen Vertrag zu verlängern? Oder will er über einen Vertrauensmann weiterhin im Hintergrund die Fäden ziehen? Spekulationen, die nur deswegen gedeihen, weil ein klares Wort fehlt. Über die Nachfolge hat Hoeneß ja auch nicht zu entscheiden, sondern das künftige, aufgewertete Präsidium.

„Ich habe mich über die klaren Worte von Michael Preetz gefreut“, sagte Herthas Aufsichtsratsvorsitzender Werner Gegenbauer am nächsten Tag dem Tagesspiegel. „Er hat die erste Option auf den Job. Das heißt aber nicht, dass er ihn auch automatisch bekommt.“

In internen Gesprächen lässt Hoeneß immer wieder mal durchklingen, dass er von Preetz nicht allzu viel hält. So ließ sich auch das Schlusswort interpretieren, das er am Montagabend bei der Mitgliederversammlung sprach.

Erneut war der Anlass banal: die Aussprache mit den Fans, eine traditionell kurzweilige Angelegenheit. Mit Engelsgeduld muss sich die Geschäftsführung für so ziemlich alles rechtfertigen, was irgendwann mal schiefgelaufen ist im Unternehmen Hertha BSC: die Probleme mit dem neuen Ticketing-System, die Nervosität bei einem längst vergessenen Auswärtsspiel in Freiburg, die Weigerung der Spieler, nach der Niederlage am Freitag in Karlsruhe zu den Fans in die Kurve zu gehen … Halt! Stopp! Einspruch! „Das können Sie mir nun wirklich nicht vorwerfen“, rief Hoeneß, „solange ich noch unten auf der Bank saß, habe ich die Spieler immer zu den Fans geschickt. Aber von der Tribüne aus geht das schlecht!“

Ja, muss er denn alles alleine machen?

Jahrelang saß Dieter Hoeneß bei Hertha auf der Mannschaftsbank, vor dieser Saison hat er seinen Stammplatz dort abgetreten. An ... Michael Preetz.

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