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Äußerlich geschützt. Michael Schumacher muss derzeit viel Kritik ertragen.

© dpa

Michael Schumacher: Ein Denkmal als Lehrling

Rekordweltmeister Michael Schumacher muss sich beim Großen Preis von Spanien in Barcelona den Respekt der Formel 1 zurückerkämpfen.

Von Christian Hönicke

Es war 15.37 Uhr in Barcelona, als sich Historisches zutrug. Kurz vor dem Verschwinden in die Teamgarage blitzte er auf, fast unbemerkt: der erste Schumi-Daumen in der zweiten Formel-1-Karriere des Rekordweltmeisters. Mit dem runderneuerten Mercedes war Michael Schumacher im zweiten Freien Training zum Großen Preis von Spanien die drittschnellste Zeit gefahren – hinter dem dominierenden Red-Bull-Duo Sebastian Vettel und Mark Webber, aber noch vor seinem Teamkollegen Nico Rosberg, der Siebter wurde. „Ich fühle mich wohler“, sagte er nach der ersten Ausfahrt im neuen Wagen. Zwar sei der Rückstand auf die Red Bulls noch zu groß, aber „das Auto macht jetzt das, was ich mir vorstelle“. Der Vorsprung von einer halben Sekunde auf Rosberg war laut Teamchef Ross Brawn zwar „unterschiedlichen Testprogrammen“ geschuldet. Dennoch: Die gute Rundenzeit und der anschließende Daumenblitzer waren Schumachers bislang beste Antworten auf die Zweifel an seiner Leistungsfähigkeit, mit denen er sich derzeit konfrontiert sieht.

Seit seiner Ankunft auf dem Circuit de Catalunya wird der einstige Herrscher der Formel 1 beinahe wie ein Vogelfreier durchs Fahrerlager gejagt. Von allen Seiten prasseln Kritik und Wiederrücktrittsforderungen auf ihn ein. Anlass dafür ist die bislang durchwachsene Statistik, die seit seiner Rückkehr einen sechsten und zwei zehnte Plätze sowie einen Ausfall verzeichnet. Die Geschichte scheint klar: Schumacher, das bröckelnde Denkmal.

Das Denkmal selbst lächelt wissend. Schumacher gibt sich zuversichtlich, was den Rest der Saison angeht. „Aber ich bin kein Träumer, der glaubt, man kann nach drei Jahren wieder zurück ins Auto springen und allen in den Hintern treten. Es wird ein bisschen dauern, bis ich mich im Auto wieder so wohl fühle wie früher.“

Der Halter fast aller Grand-Prix-Rekorde sieht sich als Lehrling, der sich erst wieder einarbeiten muss. Mit für Schumacher-Verhältnisse fast schon an Selbstgeißelung grenzender Offenheit sprach der Perfektionist über seinen bisherigen Lernprozess. Beim vergangenen Rennen in Schanghai „war meine Leistung sicherlich nicht gut. Ich war enttäuscht und sauer auf mich selbst.“ Er sei nicht vorsichtig genug mit den Reifen gewesen, teilweise habe er sogar falsche Fahrlinien gewählt. Dazu käme, dass der Mercedes auf die von Schumacher so verhasste Weise untersteuerte, also über die Vorderachse schob, und ein durch Feindberührungen lädiertes Chassis hatte. Letzteres führte auch Ross Brawn als Erklärung für die schlechten Rundenzeiten in Schanghai an: „Die Leute nehmen immer an, dass es am Fahrer liegt, dabei kann es auch das Auto sein.“

Nun hat Schumacher ein überarbeitetes Auto mit neuem Chassis und vergrößertem Radstand, um das Untersteuern zu verringern. Er habe nun „mehr Spielraum, die Balance so einzustellen, wie ich es will“, sagt Schumacher. Also keine Ausreden mehr? „Es gibt immer Ausreden, wenn man welche finden will. Ich bin sicher, manche sagen jetzt: Nun hat er das Auto, das er wollte, jetzt muss er auch Leistung bringen, sonst blablabla … Aber so denke ich nicht.“

Andere denken so. Sie werden ungeduldig, sie wollen den alten Schumi sehen. Aber gibt es den überhaupt noch? Er sei lockerer geworden, nicht mehr so verbissen wie früher, sagte Schumacher der „FAZ“. Vielleicht, so glauben manche, ist er deshalb auch langsamer. In Barcelona, wo er öfter gewann als jeder andere, müsste sich der alte Schumacher langsam mal blicken lassen. Denn wenn er nicht bald zurückschlägt, droht ihm Nico Rosberg den Rang abzulaufen – beim heutigen Qualifying (14 Uhr/RTL und Sky) könnte Schumacher die fünfte Niederlage in Folge gegen seinen Teamkollegen erleiden. Zwar wehrt sich der 24-jährige Rosberg gegen die Behauptung, er sei schon die Nummer eins bei Mercedes, aber er erklärt auch stolz: „Ich habe eine starke Position im Team. Es legt immer mehr Hoffnung in mich, nicht nur in Michael.“ Kein Wunder: Während Rosberg als WM-Zweiter um den Titel kämpft, kämpft Schumacher derzeit vor allem um seinen guten Ruf.

Davon jedoch lässt sich das Denkmal nicht aus der Ruhe bringen. „Als ich mein Comeback bekannt gegeben habe, waren alle enthusiastisch“, sagt der 41-Jährige. „Jetzt werde ich kritisiert. Aber wenn ich erst wieder auf dem Podest stehe, werden dieselben Leute wieder enthusiastisch sein.“ Der Sonntag in Barcelona wäre eine gute Gelegenheit dafür, den Daumen mal wieder einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren.

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