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Michael Schumacher: "Mein Ziel ist der Titel"

Der siebenfache Weltmeister hat einen Dreijahresvertrag beim neuen Mercedes-Team unterzeichnet. Michael Schumacher über seine Motivation, sein Alter und seine Ansprüche.

Drei Jahre nach seinem Rücktritt und vier Monate nach seinem gescheiterten Comebackversuch für Ferrari ist die Sensation perfekt: Am Dienstagabend unterschrieb Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher einen Dreijahresvertrag beim neuen Mercedes-Team. Künftig wird der Kerpener, der am 3. Januar 41 Jahre alt wird, neben Nico Rosberg für die Marke fahren, bei der einst seine Motorsportkarriere begann. Sein Teamchef wird Ross Brawn, mit dem Schumacher bei Benetton und Ferrari seine sieben WM-Titel gewann. Wir dokumentieren das erste Interview in der zweiten Karriere des Rennfahrers Michael Schumacher:


Herr Schumacher, was hat Sie dazu motiviert, in die Formel 1 zurückzukehren?


Ende November hat mich Ross Brawn angerufen und mich gefragt, ob ich wieder Formel 1 fahren möchte. Er hat mir erzählt, was er in Zukunft vorhat mit Mercedes, und das hat mich begeistert. Da ist mein Rennfahrerherz richtig aufgegangen. Das ist eine Sache, die wieder richtig funkt in mir.

Gerüchte gab es seit Wochen. Waren Sie in den letzten Tagen vor der Entscheidung aufgeregt oder eher cool?

Nein, ganz und gar nicht cool. Ich habe heute Morgen im Gespräch mit meinem neuen Renningenieur noch gesagt: „Ich fühle mich gerade wie so ein 12-Jähriger, der durch die Gegend hüpft, wie ein kleiner Junge.“ Meine Batterie ist aufgeladen, ich bin wieder voller Energie und voller Tatendrang.

War der gescheiterte Versuch im Sommer, Felipe Massa nach seinem Unfall im Ferrari zu ersetzen, der Auslöser für die Lust am Comeback oder war sie vorher schon da?

Der Initialzünder war die unvorhersehbare Situation mit dem Unfall von Felipe. Ich habe ja auch in dem Gespräch mit Luca di Montezemolo im Sommer eigentlich erst mal absagen wollen, bis ich festgestellt habe, dass ich da auch Verpflichtungen spüre. Trotz der Umstände und der Schmerzen habe ich mich dann auch im Auto sehr schnell wieder wohlgefühlt und zurechtfinden können. All das hat diese ganze Sache ausgelöst.

Bei Ihrem Rücktritt Ende 2006 hatten Sie ein Comeback kategorisch ausgeschlossen. Haben Sie es sich leichter vorgestellt, von der Droge Geschwindigkeit wegzukommen?

Ich habe bis 2008, eigentlich bis 2009, nicht an ein Comeback gedacht. Ich brauchte wirklich eine Auszeit. Damals war das für mich natürlich keine Auszeit, sondern das Karriereende, denn ich konnte mir nicht vorstellen, noch einmal zurückzukehren. Aber ich bin nie wirklich von der Rennstrecke weggekommen. Ich war damals Ende 2006 nur müde von der Maschinerie Formel 1. Ich hatte keine Energie und keine Motivation mehr. Aber die Dinge ändern sich. Und wegen dieser speziellen Ereignisse, die niemand planen oder voraussehen konnte, hat es mich wieder gepackt. Und in den letzten drei Jahren kam all die Energie zurück, die ich jetzt spüre. Ich habe mit Motorrädern und Gokarts und jeder Menge anderem Spielzeug herumgespielt – jetzt fühle ich mich wieder bereit für was Ernsthaftes.

Glauben Sie, dass Sie als fast 41-Jähriger noch immer den Speed und die Hingabe haben, um mit 20 Jahre jüngeren Gegnern mithalten zu können?

Ich bin in dieser Hinsicht absolut selbstbewusst. Im ersten Gokart-Rennen nach meinem Unfall konnte ich sofort wieder mithalten. Das ist natürlich nur ein kleiner Hinweis – ich muss das jetzt in einem richtigen Auto beweisen, Rad an Rad mit einem von den anderen Typen. Ich finde das wirklich aufregend und freue mich darauf. Aber ich habe keine Zweifel an meinen Fähigkeiten.

Ihr erster Comeback-Versuch im August ist an Ihrer Nackenverletzung gescheitert, die Sie sich im Februar bei einem Motorradunfall zugezogen haben. Wie geht es Ihrem Nacken jetzt?

Ich verstehe, dass es bei diesem Thema Fragezeichen gibt. Bevor ich meine endgültige Zusage gegeben habe, habe ich mich selbst vergewissert, dass ich hundertprozentig fit bin und der Nacken kein Problem mehr darstellt. Als ich im Sommer für Felipe einspringen wollte, war das noch zu dicht an meinem Unfall dran. Ich war noch nicht bereit. Aber es war genug Zeit dafür, dass die Verletzung komplett ausgeheilt ist. Damals gab es einige Übungen, Gewichte und Widerstände, die ich nicht vollends aushalten konnte, was ich aber jetzt kann. Alles, was ich testen konnte, habe ich getestet – ich habe keinerlei Beschwerden mehr. Ich habe auch die Bestätigung von meinem Doktor, dass ich da keine Befürchtungen haben muss.

War es leicht für Sie, Ferrari zu verlassen, wo Sie zuletzt als Berater tätig waren?

Nein, es war kein leichter Schritt. Ich habe jede Menge Freunde bei Ferrari, wir haben 14 Jahre zusammengearbeitet. Es ist mir aber leichter gemacht worden, nachdem ich mit Luca di Montezemolo darüber gesprochen habe und er freundschaftlich und sehr verständnisvoll reagiert hat. Er hat mitbekommen, dass ich im Sommer sehr enttäuscht war, weil ich mein Ferrari-Comeback absagen musste. Auf der anderen Seite waren die Dinge bei Ferrari natürlich vorher schon lange geplant und deswegen für mich keine Möglichkeiten mehr vorhanden. Die ergaben sich erst, als Ross mich im November anrief.

Jetzt fahren Sie für Mercedes, wo Ihre Karriere einst begann.

Der einzige Grund, über mein Comeback nachzudenken, war, weil mich alte Freunde gefragt haben. Es sind alte Bekannte und Weggefährten. Nur diese Kombination hat mich überhaupt interessiert, weil ich so ein enges Verhältnis zu Ferrari hatte und nicht zu irgendeinem Team gegangen wäre. Ich denke, es gibt kein anderes Team, für das zu fahren ich ernsthaft erwogen hätte. Es war die Kombination Ross Brawn und Mercedes. Mercedes hat mir damals geholfen, in die Formel 1 zu kommen. All die Jahre hat es niemals geklappt, für sie in der Formel 1 zu fahren. Jetzt ist es endlich soweit. Ich bin froh, dass ich Mercedes jetzt etwas von dem zurückgeben kann, was sie mir damals gegeben haben. Ich fühle mich super zufrieden, dass ich diese Entscheidung so getroffen habe.

Haben Sie keine Angst, dass Sie Ihre Reputation aufs Spiel setzen? Die Leute werden Sie an Ihren früheren Leistungen messen.

Oh, ich hoffe sogar, dass sie mich an meinen früheren Leistungen messen werden. Ich gehe diese Aufgabe mit der gleichen Auffassung an. Das Team hat gerade beide Titel dieses Jahr gewonnen und jetzt Mercedes als starken Partner dazubekommen. Also kann es nur unser Ziel sein, um die Weltmeisterschaft zu kämpfen. Auch mein Ziel kann natürlich nur sein, am Ende wieder oben auf dem Treppchen zu stehen.

Haben Sie Ihre Frau und Ihre Familie vorher überreden müssen?

Ich musste keine Überzeugungsarbeit leisten, ganz im Gegenteil. Corinna und die Familie haben sich für mich gefreut. Corinna war immer sehr bedacht darauf, mich glücklich zu sehen, und umgedreht war es auch immer so. Als meine Frau das Funkeln in meinen Augen gesehen hat, hat sie sofort gesehen, dass es genau das ist, was ich wirklich möchte. Da gab es für sie nicht viel zu diskutieren, sie sagte nur: „Hab Spaß!“ Sie wird jetzt sicher wieder mit dabei sein, wie früher auch.

Wie lange werden Sie für Mercedes fahren?

Ich habe einen Dreijahresvertrag, das ist also keine kurzlebige Sache. Die Idee ist generell, dass wir erstmal für drei Jahre planen, was die Fahraktivitäten angeht. Danach könnte es dann eine Option geben, als Markenbotschafter für Mercedes zu arbeiten.

Sie wollen tatsächlich drei Jahre fahren?

Richtig.

Die Autos werden nächste Saison völlig anders sein als die, die Sie 2006 gefahren sind.

Ja, sie werden wohl etwas anders sein. Aber ich habe so viele verschiedene Autotypen über all die Jahre gefahren, und ich denke, es ist eine Stärke von mir, dass ich mich immer wieder auf neue Umstände einstellen kann.

Der Saisonstart in Bahrain ist am 14. März. Wann werden Sie zum ersten Mal eine Testfahrt im neuen Mercedes unternehmen?

Vorgesehen ist das natürlich bei den offiziellen Testfahrten, die im Februar beginnen.

Wie sehen Sie denn Ihren Status im Team als ehemaliger Weltmeister im Vergleich zu Ihrem neuen Stallgefährten Nico Rosberg?

Es gab ja in der Vergangenheit immer wieder diese kuriosen Berichte, dass ich mir meinen Status vertraglich habe zusichern lassen. Das ist nie der Fall gewesen. Es hat immer nur ein Stopp oder so entschieden, wer welchen Status bekommt, und das wird sicherlich hier nicht anders sein.

Wie sieht es mit Ihrer Fitness verglichen mit Ihrer Verfassung vor drei Jahren aus?

Ich habe da keinerlei Zweifel. Ich habe das ja im Sommer gesehen: In ganz kurzer Zeit war ich wieder zurück auf meinem alten Level und meinem alten Gewicht. Ich habe niemals mit meinem Fitnessprogramm aufgehört. Natürlich ist das außergewöhnlich, denn ich bin nun einmal fast 41 und jetzt drei Jahre raus gewesen. Aber ich glaube einfach an die Kombination Ross Brawn und Mercedes, und an mir selbst habe ich nicht wirklich Zweifel, um ehrlich zu sein. Und wenn man sich mal die Meinungen von draußen anhört, gibt es auch da nur geringe Zweifel.

Wäre das Ihre größte Leistung, in Ihrem Alter zurückzukehren und noch einmal Rennen und die Weltmeisterschaft zu gewinnen?

Das wäre auf jeden Fall eine einzigartige Erfahrung und eine einzigartige Leistung. Aber lasst mich erst einmal hinters Lenkrad, dann können wir später noch einmal darüber reden.

Aufgezeichnet von Christian Hönicke.

Christian Hönicke

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