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Laut dem Bericht der USADA hat an eine von Doping-Arzt Michele Ferrari (r.) betriebene Schweizer Firma elf Geldzahlungen Armstrongs in Höhe von insgesamt 1.029.754,31 Dollar im Zeitraum vom 21. Februar 1996 bis zum 31. Dezember 2006 erhalten.

© afp

Michele Ferrari: Doktor Doping

Der Arzt Michele Ferrari half nicht nur Lance Armstrong beim Betrug. Neue Recherchen zeigen sein millionenschweres Netzwerk mit vielen Fahrern. Sein Geschäftsvolumen scheint die 30-Millionen-Grenze übertroffen zu haben.

Doping ist nicht nur ein betrügerisches, sondern auch ein einträgliches Geschäft. Jedenfalls für den, der finanziell gut abgesicherten Tricksern glauben machen kann, er sei der Superexperte. Dem Arzt Michele Ferrari ist dies außerordentlich gut geglückt. Nach neuen Recherchen soll das Geschäftsvolumen des Italieners, der wohl unzählige Radfahrer gedopt hat, in den letzten Jahren die 30-Millionen-Grenze übertroffen haben. Nicht nur Lance Armstrong, dem wohl am Montag seine sieben Tour-de-France-Titel aberkannt werden, hat den Dopingdoktor reich gemacht, auch deutsche Fahrer tauchen in den Unterlagen auf.

Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Padua offenbarten ein verschachteltes Firmenimperium Ferraris mit Stützpunkten in Monte Carlo und der Schweiz. Die Erkenntnisse aus der Operation "Mito" (Mythos; ein alter Spitzname Ferraris) gingen auch in das Verfahren der US-Dopingjäger gegen Armstrong ein. Während dort vor allem die Tätigkeit Ferraris für die Armstrong-Rennställe im Zentrum stand, enthalten die Akten der italienischen Justiz Hinweise auf ein viel größeres Doping- und Dopingbezahlnetzwerk. Insgesamt 20 Teams, darunter auch die früheren deutschen Rennställe Milram und Gerolsteiner, sollen darin eingebunden sein. Die Akten zeigen Züge eines geheimen millionenschweren Betrugskartells im gesamten Radsport.

Im Zentrum der finanziellen Transaktionen soll die in Monte Carlo ansässige Gesellschaft T&F Sport Management stehen, berichtet die "Gazetta dello Sport" in einer Artikelserie. An die Firma flossen Gelder für Imagerechte einzelner Sportler. "Diese Gelder wurden bar eingesammelt und an den Steuerbehörden vorbeigeschleust", wird ein Ermittler zitiert. Auf Nachfrage des Tagesspiegel versprach eine Mitarbeiterin von T&F einen Rückruf der Geschäftsführer, der bis Redaktionsschluss aber nicht erfolgte.

Hans-Michael Holczer, bis vor wenigen Tagen noch Teamchef von Katusha, bestätigt auf Nachfrage „Ermittlungen der italienischen Staatsanwaltschaft in Steuerfragen“. Mehrere Katusha-Profis sind seit 2010 als Ferrari-Kunden verdächtig. Während seines Engagements beim russischen Rennstall habe es jedoch keine Zahlungen außerhalb der Verträge an Dritte gegeben, versichert Holczer am Telefon. Gleiches gelte für Gerolsteiner, wo er früher tätig gewesen sei. Wenn das stimmt, muss Ferrari noch an den Teams vorbei dazuverdient haben.

Denn der frühere Gerolsteiner-Profi Levi Leipheimer sagte den Ermittlern der amerikanischen Anti-Doping-Agentur Usada, dass er während seiner Zeit bei dem Team mit Ferrari zusammengearbeitet und dabei sein Blutdopingprogramm verfeinert habe.

Allein die Zahlungen Armstrongs an Ferrari summieren sich auf mehr als eine Million Euro.

Blasses Gelb. Morgen wird entschieden, ob Lance Armstrong seine sieben Siegertrikots der Tour de France zurückgeben muss. Noch hängen die Trophäen in seiner Stiftung.
Blasses Gelb. Morgen wird entschieden, ob Lance Armstrong seine sieben Siegertrikots der Tour de France zurückgeben muss. Noch hängen die Trophäen in seiner Stiftung.

© AFP

Schnittstelle der Dopingoperationen war eine von 1996 bis 2010 im Schweizer Neuchatel ansässige Gesellschaft namens „Health & Performance SA“. An die Adresse des einzigen Mitglieds des Verwaltungsrates der Gesellschaft ist eine handschriftliche Notiz von Ferrari über Zahlungen von Armstrong gerichtet: "Ende 2003 zahlte er die zweite Rate für 2003, (ich denke, das waren die 75) und 300 im Voraus für 2004/2005. Anfang 2004 zahlte er 110, so dass es insgesamt 410 für 2004-2005 sind." Was dahinter genau steckt, lässt sich mit dem Hauptbuch der Health & Performance SA entschlüsseln. Für den 10. September 2003 verzeichnet es eine Zahlung von 75 000 Dollar von Armstrong. Am 5. Juni desselben Jahres waren es 100 000 Dollar. Und am 6. Oktober 2003 flossen 300 000 Dollar von Armstrong an die Gesellschaft. In diesem Falle zahlte Armstrong offenbar schneller, als Ferrari in Erinnerung hatte. Die Belege liegen dem Tagesspiegel vor.

Allein die Zahlungen Armstrongs an Ferrari summieren sich auf mehr als eine Million Euro. Zum Kundenkreis des Italieners gehörten neben den Ex-Armstrong- Helfern Landis, Hamilton, Hincapie und Danielsson, diversen Katusha-Profis und den italienischen Elitefahrern Bugno, Cipollini, Savoldelli und Scarponi auch die beiden Deutschen Andreas Kappes und Patrik Sinkewitz. In den Usada-Unterlagen sind zudem Zahlungen von Alexander Winokurow (sechs Tranchen in Höhe von je 15 000 Schweizer Franken) und Andrej Kascheschkin (deren vier in Höhe von je 5000 Schweizer Franken) für das Jahr 2006 notiert; damals dominierten die Kasachen die Spanien-Rundfahrt.

Nimmt man Jahresgagen von 10 000 bis 20 000 Euro für Helfer und das Fünf- bis Zehnfache für Kapitäne als Ferraris Tarifgrundlage an, erscheint die Schätzung des Geschäftsvolumens von 30 Millionen Euro absolut plausibel. Geht Armstrong als „Weltmeister im Dopen“ in die Geschichte ein, so ist ihm sein Arzt Ferrari als Finanzoperateur mindestens ebenbürtig.

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