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Gespenstische Atmosphäre in allen Stadien, hier in Augsburg.

© imago images/Poolfoto

Mikrofonangeln, Blau-Weiß 90 und Jubel ins Leere: So lief die erste Geisterspiel-Konferenz der Bundesliga

Die Fußball-Bundesliga ist wieder da. Wir waren dabei – und haben uns eine ziemlich eigenartige Konferenz angesehen.

Der Bundesliga-Ball rollt wieder. Seit Samstagnachmittag. Nach über zwei Monaten Pause. Die ganze Welt schaut zu, hieß es im Vorfeld. Das konnten wir natürlich nicht überprüfen. Aber wir haben ebenfalls zugeschaut via Geisterspiel-Konferenz bei Sky:

15.16 Uhr: Die üblichen Interviews im Vorfeld sind geführt. Das Prozedere ist alles andere als üblich: der jeweilige Trainer im Innenraum, der Interviewer in großem Abstand auf der Tribüne, ausgestattet mit einer Mikrofonangel.

15.29 Uhr: Gute Kunde aus Dortmund. Die Spieler sind vollzählig da. Doch Schiedsrichter Deniz Aytekin fehlt noch. Hm. Na ja, er wird schon kommen.

15.30 Uhr: In Düsseldorf sind alle da, die gebraucht werden. Dort wird dieser Spieltag eröffnet. Ein Spieltag, an dem, Zitat von Kommentator Wolff-Christoph Fuss, „Bundesliga-Geschichte geschrieben“ wird.

15.34 Uhr: Noch bessere Kunde aus Dortmund. Aytekin ist erschienen, das Spiel gegen Schalke läuft.

15:40 Uhr: „Alle sind noch dabei, sich einzugrooven“, heißt es aus Augsburg. Gilt für mich auch. Ich versuche herauszuhören, was sich die Spieler auf dem Rasen zurufen. Doch es ist alles ziemlich hallig in den großen, leeren Stadien. Schade. So ein „Zieh ab, hast doch ’nen Huf“ oder „Positiv bleiben, Männer!“ wie auf dem Sportplatz nebenan wäre doch nett zu hören.

15.47 Uhr: Bei Hoffenheim gegen Hertha BSC „ist das Spiel wie die Atmosphäre. Sehr, sehr ruhig.“ Da ergänze ich doch gern: Ein bisschen Begeisterung würde dem Spiel wohl guttun. Aber woher nehmen? Von den Zuschauerrängen jedenfalls nicht. Erinnert vom Drumherum alles an die Kreisliga. Oder auch nicht. Da gibt es wenigstens Bier und Bratwürste.

Die Eingänge vor dem Dortmunder Stadion sind verschlossen.
Die Eingänge vor dem Dortmunder Stadion sind verschlossen.

© Imago/nordphoto

15.52 Uhr: Die, nun ja, Atmosphäre in den Stadien macht mich melancholisch. Ich reise gedanklich in die frühen Neunziger. Denke an den Berliner Fußball: Sehe Geisterkulissen bei offenen Stadiontoren, Blau-Weiß 90 teilweise vor 500 Zuschauern im Jahn-Sportpark, Hertha vor 2500 im Olympiastadion. Sehe die Stuttgarter Kickers, Homburg, Meppen… So, zurück in die Gegenwart. Wo bin ich? Schnell oben rechts auf den Fernseher gucken, ach ja, in Leipzig.

15.55 Uhr: Wurde eigentlich schon erwähnt, dass es irgendwie eine besondere Konferenz ist? Ja, etwa zehn Mal.

Haaland macht das erste Tor

15.59 Uhr: Da isses, das erste Tor. Unglaublich. Historisch. Erling Haaland, Dortmund führt. Wir schauen auf den Jubel: an der Eckfahne. Es wird ein bisschen geklatscht, getanzt und gelacht. Spontan ist anders. Richtiger Fußball ist auch anders.

16.06 Uhr: Diejenigen, die auf Biegen und Brechen die Liga wieder ins Rollen bringen wollten, betonten gern, dass die Bundesliga ein Stück Lebensfreude zurückbringen werde. Sicher haben dabei alle sofort an Düsseldorf gegen Paderborn gedacht. Dort haben die Gäste gerade die erste Chance. Spielstand weiter 0:0.

16.12 Uhr: Wolfsburg geht in Augsburg in Führung. Das wird Augsburgs Trainer Heiko Herrlich nicht freuen. Wo ist er eigentlich? Weder auf der Trainerbank, noch beim Einkaufen. Er verfolgt das Spiel im Stadion von einer Loge aus.

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16.19 Uhr: Übrigens kommt das Wort Spirituose vom lateinischen Spiritus, was für Geist steht. Die Schiedsrichter bitten nun nicht zum Pausen-Obstgeist, aber immerhin zum Pausentee oder was auch immer.

16.29 Uhr: Ich habe eben kurz überlegt, ob ich in der zweiten Halbzeit die – Sky macht es möglich – eingespielten Fangesänge anmache. Es war nur eine sehr kurze Überlegung.

16.37 Uhr: Thorgan Hazard trifft zum 3:0 für Dortmund. Hazard jubelt vor der leeren Südtribüne.

Neuer Geist bei Hertha

16.47 Uhr: Der Kommentator macht einen „neuen Geist“ bei Hertha aus. Wenige Sekunden später fällt das Tor für die Berliner. Dann gleich noch eins. Und jetzt vorab Entschuldigung für folgende Gags: Die Hoffenheimer sind entgeistert, während die Herthaner natürlich begeistert sind. Nur der Jubel: Eieiei, wenn das für die strengen Augen der Verantwortlichen der Deutschen Fußball-Liga mal nicht einen Tick zu eng ist.

16.56 Uhr: Abpfiff. Zumindest schon in der Betri Deildin. Dort verliert TB Tvöroyri zum Auftakt des zweiten Spieltags auf den Färöern 1:2 gegen KI Klaksvik. Durch ein Gegentor in der Nachspielzeit. Bitter!

17.05 Uhr: Ich höre Musik. Also nicht nebenbei, um vor meinem Rechner etwas Atmosphäre zu erzeugen, sondern in einem Stadion wird Musik eingespielt. Das heißt: Tor! In Leipzig. Für Leipzig. Zum 1:1.

17.23 Uhr: Ende bei Düsseldorf gegen Paderborn. Keine Zuschauer, keine Tore. Bei beiden Teams wird noch eine Weile das Abstiegsgespenst rumgeistern.

17.24 Uhr: Schluss auf allen Plätzen. Historisch, zweifellos. Aber auch sehr eigenartig alles.

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