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Sport: Mit dem Kopf über Wasser

Die Wasserballer von Spandau 04 haben international nichts gewonnen – und sind trotzdem ein wenig stolz

Genua. Einen selbst gebrauten Aperitif bot Peter Röhle, der Trainer der Wasserfreunde Spandau 04, seinen Spielern vor dem Abendbrot an: Wodka, in den er Chili-Schoten eingelegt hatte. Kurz zuvor war das Final Four der Champions League zu Ende gegangen, Spandaus Wasserballer hatten das Spiel um Platz drei gegen Mladost Zagreb 5:6 verloren. 22 Sekunden vor Schluss hatte Marko Savic die Riesenchance zum Ausgleich vergeben. Platz vier, kein Sieg, Letzter. Röhle pries seinen Spielern in Genua das Getränk als Medizin an, „der Schmerz der Niederlage sollte nach homöopathischem Prinzip durch den Schmerz des Gaumens gelindert werden“. Die Spieler kippten den Wodka hinunter, aber mit Schaudern: „Das war hart“, erzählte Savic. Zum Geburtstag hatte die Mannschaft Röhle fernöstliche Kochutensilien geschenkt – und Chili-Schoten. Die benutzte der Hobbykoch nun auf seine Weise.

Röhle war nach dem ersten Einzug seines Teams ins Final Four seit Gründung der Champions League 1997 zu Scherzen aufgelegt. Im Halbfinale hatte Spandau nach 2:0-Führung und starker erster Halbzeit gegen Honved Budapest und dessen sieben Olympiasieger mit 6:11 verloren, gegen Zagreb nach 2:6-Rückstand die Verlängerung nur knapp verpasst. „Wir können mit erhobenem Kopf hier rausgehen. Aus Misserfolgen lernt man am meisten“, sagt Röhle. Zumindest Platz drei hatte sich der Außenseiter erhofft.

Einen Tipp hatte Spandaus Präsident Hagen Stamm bei der Abschlussfeier in einer Strandkneipe: „Die anderen glauben, dass sie gewinnen und tun es dann auch, ihr dagegen wisst gar nicht, wie gut ihr seid. Fürs nächste Jahr wünsche ich mir, dass ihr so spielt wie in den ersten beiden Vierteln im Halbfinale und wie in den letzten beiden Vierteln beim Spiel um Platz drei.“ Die Wasserballer selbst waren nicht so fröhlich wie Röhle und Stamm, die in den 80er Jahren als Spieler für Spandau den Europacup der Landesmeister gewannen und anschließend miterleben mussten, wie der Klub international in der Bedeutungslosigkeit verschwand.

Für das jetzige Team jedoch war es keine Rückkehr an die Spitze, sondern schlicht ein letzter Platz . „Wir können gegen die weltbesten Teams mithalten, uns fehlt aber die Konstanz“, sagt Kapitän Patrick Weissinger, der möglicherweise nach Italien oder Spanien wechselt. „Es bleibt schon ein bisschen Frust. Wir können eigentlich mithalten, aber uns fehlen enge Spiele zum Üben“, analysiert Marc Politze. In der Bundesliga gewann Spandau in der abgelaufenen Saison alle Spiele, der Klub hat gerade den 24. nationalen Titel seit 1979 geholt. Die Finalserie gegen Duisburg hatte streckenweise Trainingscharakter. Gefordert wird das Team nur international. Dabei hat es sich viel Respekt erkämpft, schließlich „sind wir die Einzigen, die Pro Recco Genua in dieser Saison geschlagen haben“, sagt Politze. Genua ist der neue Champions-League-Sieger – und ständig gefordert: Im Finale der italienischen Meisterschaft scheiterte Genua an Brescia.

Die internationale Erfahrung müssen sich die Spandauer, die das Gros der Nationalmannschaft stellen, auch in Länderspielen holen, etwa bei der Europameisterschaft im Juni in Slowenien. Moral und körperliche Fitness bewiesen die Berliner in Italien im letzten Spiel. Und das, obwohl bei ihnen Amateure und Halbprofis spielen, bei den Konkurrenten des Final Four aber Vollprofis. Was den Wasserfreunden fehlt, ist „die letzte Abgezocktheit“, sagt Röhle, „aber wir werden weiterlernen, in der nächsten Saison wird unser Spiel eine neue Qualität haben“. In Genua leisteten sich die Berliner einfache Abspielfehler, zögerten bei Torwürfen zu lange und nutzten Überzahlspiele nicht konsequent. Mitentscheidend war möglicherweise die ungewohnte Atmosphäre: In der Schöneberger Schwimmhalle gucken maximal 300 Zuschauer zu, darunter einige Dauertrommler. In Genua tobten beim Finale rund 1500 Fans, nach dem Sieg drückte ein Anhänger seiner Frau das aus den Anzugtaschen gekramte Kleingeld in die Hand und sprang jubelnd zu den Champions ins Wasser.

Ausländische Kollegen klopften Röhle und Stamm immer wieder anerkennend auf die Schulter. Doch die nächsten Jahre werden schwierig. Ab der kommenden Saison ersetzt die Euro League die Champions League. In der neu gegründeten Liga dürfen aus den Top-Nationen nicht ein, sondern drei Teams teilnehmen. „Das wird für uns viel schwerer“, sagt Stamm. Gut möglich, dass Spandau 04 in Genua die Chance verpasst hat, ganz nach oben zu kommen. Vielleicht kommt sie so schnell nicht wieder.

Helen Ruwald

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