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Die Fünf steht. Die Eisbären machten die Handvoll Titel voll und ließen nach einem mitreißenden Sieg fünfe grade sein. Foto: dpa

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Sport: Mit Gier zum Glück

In einem denkwürdigen dritten Endspiel siegen die Eisbären 5:4 in Wolfsburg und holen ihren fünften Titel

Sie konnten gar nicht schnell genug aufs Eis stürmen. Schon Minuten bevor die Uhr in der Wolfsburger Halle auf null runtergezählt hatte, drängelten sich die Spieler der Eisbären im Stehen hinter der Bande; auf der Bank hielt es jetzt niemanden mehr. Was hier vonstatten ging, war schlicht zu aufregend. Drei, zwei, eins: Und der Eishockeyklub mit den Wurzeln in Berlin-Hohenschönhausen war nach einem dramatischen 5:4 (1:2, 2:0, 2:2)-Sieg beim EHC Wolfsburg erneut Deutscher Meister. Ein hohes Amt, mit dem so manche Pflicht einhergeht. Händeschütteln, Hymne, Medaillenübergabe, Silberpott: Der Ablauf des großen Erfolgs ist den Berlinern inzwischen ja geläufig.

„Einfach wunderbar“, fand das Sven Felski und ließ sich nach der Siegerehrung von Mitspieler Stefan Ustorf auf die Wan- ge küssen. Die Party nahm auf dem Wolfsburger Eis ihren ausgelassenen Anfang und sollte erst im Berliner Morgen enden.

Zum fünften Mal seit Bestehen der Deutschen Eishockey-Liga sind sie bis ganz nach oben gestürmt – öfter hat es noch niemand geschafft, genauso oft nur die Adler Mannheim. Das Beeindruckende am Titel des Jahres 2011 ist allerdings besonders das wie: Mit einem Sweep, einer Serie ohne Niederlage, sind die Berliner gegen Wolfsburg im Finale zum Rekord geeilt. Doch ganz so einfach wie es den Zahlen nach den Anschein haben könnte, war es für die Eisbären nicht; vor allem nicht im dritten Duell des Finals, in dem die Wolfsburger um ihre letzte Chance kämpften als ginge es um ihr Überleben. Und da auch die Gäste sich so einiges für diesen Abend vorgenommen hatten, durften die Zuschauer ein konsequentes Auf und Ab auf dem Eis bestaunen.

Wieder, ein drittes Mal im dritten finalen Aufeinandertreffen, gelang es Wolfsburg dabei in Führung zu gehen, und zum dritten Mal konterten die Berliner – diesmal glich Kapitän Stefan Ustorf aus. Den nächsten Vorsprung für die Niedersachsen, erneut erzielt durch John Laliberte, egalisierte Tyson Mulock, und dann war es an den Eisbären zu zeigen, wer hier wirklich mit mehr Gier auf die Trophäe antrat. Aus der Luft jonglierte Florian Busch den Puck elegant – und für ein Finale durchaus angemessen – ins Wolfsburger Tor. Beliebte der Großteil der 800 mitgereisten Berliner Anhänger nun, den Rest des Spiel oberkörperfrei zu verfolgen, so ermunterte Trainer Don Jackson das aufreibende Spektakel zu emotionsgeschüttelten Ausbrüchen.

Man musste direkt Angst haben, dass er gleich über die Bande springt und sich die Herren Schiedsrichter persönlich vornimmt, so sehr schrie und wütete er hinter der Bande. Derart in Aufruhr hatte man den Trainer während seiner Berliner Zeit noch nie gesehen. Aber es war eben nicht irgendein Spiel – nein, es war ein denkwürdiges Finale, und ein überaus spannendes dazu. Weil Norm Milley und Kai Hospelt nochmal für die Niedersachsen traf und Derrick Walser zwischenzeitlich in Unterzahl ein Tor geschossen hatte, stand es plötzlich 4:4. Doch dann kam er, der finale Antritt des Constantin Braun, der seine Eisbären drei Minuten vor dem Ende im Powerplay tatsächlich zur Meisterschaft schoss.

Damit dürfte der Verteidiger nicht zuletzt dem sonst so besonnen und diesmal so impulsiven Don Jackson Genugtuung verschafft haben, auch wenn der es selbst so niemals ausdrücken würde. Der Berliner Trainer stand mitten in der Saison mindestens vor dem gefühlten Aus in Berlin. An seine trainerischen Grenzen sei er angelangt, hieß es von den Kritikern. Und tatsächlich schien es zwischenzeitlich so, als hätten sich seine Methoden aufgebraucht und er die Spieler gegen sich aufgebracht. Nun jedoch führte er dieselben Profis zum dritten Mal binnen vier Jahren zum Titel. Auf die Frage, ob er in der neuen Saison noch Trainer in Berlin sei, antwortete Jackson am späten Abend: „Hoffentlich.“

Diese Fragen gilt es in den nächsten Tagen und Wochen zu beantworten. Am Dienstagabend blieb dafür kein Platz. Genießen war angesagt - und feiern. Ganz im Sinne der Hochgeschwindigkeitsparty machten sich die Eisbären nach der kleinen Zeremonie von Wolfsburg auf dem schnellsten Weg zurück nach Berlin, wo sie zusammen mit ihren Fans die Nacht zu zelebrieren gedachten. Und dabei, in ihrer Kür, ließen sie sich jede Menge Zeit.

Katrin Schulze[Wolfsburg]

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