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Sport: Mit Schmerzen zum Gold

Fanny Fischer ist erst 20 und holt zwei WM-Titel, doch ihr droht ein frühes Ende der Karriere

Im Rennen ist es sowieso brutal, vor allem beim Schlussspurt. Da kann Fanny Fischer nicht mehr unterscheiden, was mehr schmerzt, die Arme oder die Beine. Es ist ihr auch egal, das Ganze verdichtet sich zu einer einzigen Quälerei. Aber ihr Körper hat dann auch so viel Adrenalin ausgeschüttet, dass sie durchhält, so lange, bis ihr im Ziel schwarz vor Augen wird. Gestern morgen, als sie bei der Kanu-WM mit Nicole Reinhardt Gold im Zweier-Kajak gewann, da ging es noch, die Strecke war nur 200 Meter lang. Aber am Sonntagnachmittag fuhr sie mit Reinhardt im Finale die 500 Meter. Ein furioses Rennen, eine taktische Meisterleistung. Fanny Fischer und Nicole Reinhardt fuhren zu Gold. Da wurden die Schmerzen kurzfristig zur Nebensache.

Aber die Schmerzen bleiben, auch nach dem Rennen. Und diese Schmerzen kann Fanny Fischer, 20 Jahre alt, Sportsoldatin vom KC Potsdam, lokalisieren. Sie liegen im linken Schulterblatt. Sie sind der Grund dafür, dass Fanny Fischer bei der WM Schmerztabletten schluckte, sie sind der Grund dafür, dass sie am Freitagmorgen heulend zu Wolfgang Dillmann kam, dem Mannschaftsarzt der deutschen Kanuten. Sie hatte eine Schmerztablette geschluckt, aber „die half nichts, die Schmerzen sind extrem“, sagte sie später.

Die Geschichte der Fanny Fischer geht nicht um Schmerzen, nicht hauptsächlich jedenfalls. Schmerzen hat jeder Hochleistungssportler. Sie geht um die Art, wie sie mit diesen Schmerzen umgeht. Fanny Fischer, die 20-Jährige, riskiert ihr frühes Karriereende. Und sie riskiert es sehr bewusst, zumindest bis jetzt. „Fanny ist sehr hart gegen sich selber. Mit den Schmerzen, die sie hatte, wären andere viel früher zu mir gekommen“, sagt Dillmann.

Fanny Fischer hat eine Muskelverspannung, das ist nichts Ungewöhnliches bei Kanuten. „Sie arbeiten vor ihrer Körperachse, aber gerade deshalb ist Ausgleichs-Training nötig“, sagt Dillmann. Fanny Fischer müsste täglich 20 Minuten eine spezielle Gymnastik machen, das würde genügen. Sie trainiert viele Stunden am Tag, aber die Gymnastik macht sie nicht. „Wenn es dabei bleibt, werden die Schmerzen chronisch, dadurch kann es zum Karriereende kommen“, sagt Dillmann. Wann? „In zwei Jahren schon.“

Fanny Fischer sitzt an einem Tisch und sagt sehr ernsthaft: „Es wird zu Langzeitschäden kommen.“ Und: „Ich müsste zehn Minuten Spezialgymnastik am Tag machen.“ Zehn Minuten? „Da reduziert sie schon den Druck“, sagt Dillman, „20 wären nötig.“ Aber sie nimmt sich nicht mal die zehn Minuten. Weshalb nicht? „Gute Frage, ich müsste es tun. Ich sehe das auch als Schwäche.“ Seit März hat sie diese Schmerzen, zuvor hatte sie lange Rückenprobleme. Sie nehme Schmerzmittel, das müsse reichen, sagt sie.

Es reicht nicht immer. Als sie sich mal warm paddelte bei der WM, fuhr sie bei den ersten, den härtesten Schlägen, nicht konsequent über die linke Seite. Sie wich instinktiv den Schmerzen aus. Aber dadurch fuhr das Boot unruhig, „das ist dann nicht so schön“. Nicole Reinhardt, ihre Partnerin, macht sich Sorgen, das gibt Fanny Fischer zu. Birgit Fischer, die 27-malige Weltmeisterin, Fanny Fischers Tante, auch. Sie saß mal im Boot mit ihrer Nichte.

Ein Arzt sagte der 20-Jährigen vor der WM, sie solle zwei, drei Wochen aussetzen, das lehnte sie ab. Jetzt, nach WM und Deutscher Meisterschaft, will sie sechs Wochen Pause machen und sich auf ihre Genesung konzentrieren. Sechs Wochen sind nötig, sagt Dillmann. Und wenn die nicht reichen? Da sagt Fanny Fischer sehr bestimmt: „Sie müssen reichen.“ Aber sechs Wochen reichen nur für die Lösung der größten Probleme. Danach, sagt Dillmann, muss sie ihre Spezialgymnastik weitermachen, jeden Tag. „Sobald sie aufhört, gehen die Schmerzen weiter“, sagt Dillmann. Und werden schlimmstenfalls chronisch. Ob sie durchhält, kann Fanny Fischer nicht sagen.

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