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Sport: Mit solidarischen Grüßen

Ein zweifelhafter Seniorenkreis finanziert Ingo Steuers Flug zur WM

Von Katrin Schulze

Berlin - Vor genau zehn Jahren ist Ingo Steuer mit seiner damaligen Partnerin Mandy Wötzel in Lausanne Weltmeister im Eiskunstlaufen geworden. Dass er diesen Erfolg nun in der nächsten Woche bei den Titelkämpfen in Tokio als Trainer erleben könnte, verdankt er einer Verbindung, die er gar nicht kennt. Der „Freundeskreis der Sport-Senioren“, dem etwa 150 ostdeutsche Funktionäre und Sportinteressierte angehören, bezahlt sein Flugticket. Die Senioren halten es für falsch, dass der Chemnitzer aufgrund seiner früheren Stasi-Tätigkeit nicht mehr von der Deutschen Eislauf-Union unterstützt wird. „In Deutschland werden Mörder nach 15 Jahren begnadigt“, sagt der Sprecher des Kreises, Erhard Richter, „und Ingo Steuer wird 17 Jahre nach der Wiedervereinigung verunglimpft und gejagt wie ein Schwerverbrecher.“ Bis zu 900 Euro wollen sie dem 40-Jährigen für seinen Flug nach Japan überweisen, um Steuer eine „seiner Leistung entsprechend gerechte Behandlung“ zu ermöglichen.

Gerechtigkeit und Solidarität sind die Schlagwörter des 1990 gegründeten Freundeskreises, der unter der dem Dach des „Ostdeutschen Kuratoriums von Verbänden e.V.“ (OKV) organisiert ist. Nach eigenen Angaben kämpft das Netzwerk gegen Benachteiligungen, die Bürgern der ehemaligen DDR im Zuge der Wiedervereinigung widerfahren sind. Dazu zähle auch die unter dem Decknamen „IM Torsten“ geführte Tätigkeit des Paarlauf-Trainers Ingo Steuer. „Diese ganze Stasi-Hysterie der Öffentlichkeit tragen wir nicht mit“, sagt Verbandsgeschäftsführer Dieter Becker, „schließlich sind Bespitzelungen auch im jetzigen politischen System üblich.“

Von der Staatssicherheit ausgehende Straftaten oder Menschenrechtsverletzungen finden keinen Platz in den Formulierungen des Netzwerks. Vielmehr scheint es dem Verband um die Relativierung und Entschuldigung der Taten des DDR-Regimes zu gehen. Aus diesem Grund ist auch der Berliner Verfassungsschutz auf eine Organisation des OKV aufmerksam geworden. Anlass der verfassungsrechtlichen Prüfung der „Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung“ (GRH) sei unter anderem ihr Kampf gegen die Gedenkstätte Hohenschönhausen, wie die Berliner Senatsverwaltung für Inneres bestätigte. Ein 13 Seiten langer Bericht zeigt, dass der Verein, dem viele ehemalige ranghohe DDR-Funktionäre angehören, die Arbeit der Stasi als „Abwehrmaßnahme gegen die aggressive Handlung westlicher Staaten“ bezeichnet und somit die Diktatur verherrlicht und die Opfer entwürdigt. Obwohl der Senat vergangenen Mittwoch eine nachrichtendienstliche Untersuchung des Vereins abgelehnt hat, bleiben Zweifel an deren Rechts- und Geschichtsauffassung. Die GRH hat übrigens einen bekannten Vorsitzenden in der Sportabteilung: Erhard Richter, Sprecher der Sport-Senioren.

Ingo Steuer freut sich einfach über die Einladung: „Das ist eine tolle Sache, ich kenne die Menschen gar nicht, aber sie wollen mich unterstützen.“ Ob er sich mit den Hintergründen der Gönner beschäftigen wird, sagt der Chemnitzer nicht. Hubertus Knabe, der Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen sagt: „Steuer hat scheinbar nichts dazu gelernt. Er lässt sich von den ehemaligen Funktionären aushalten.“ Dank des „Freundeskreises der Sport-Senioren“ wird Ingo Steuer in Tokio dabei sein, wenn seine amtierenden Europameister Aljona Sawtschenko und Robin Szolkowy um die Medaillen kämpfen. Die Titelmusik ihrer Kür heißt: die Mission.

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