zum Hauptinhalt
Präsident Kay Bernstein bei der Mitgliederversammlung von Hertha BSC Berlin im November.

© imago / Matthias Koch

Mitgliederversammlung bei Hertha BSC: „Der Verein ist demütiger geworden“

Zum vierten Mal in diesem Jahr tagten Herthas Mitglieder. Die Themen bargen Brisanz, es ging unter anderem um Abwahlanträge, Frauenfußball und Stadionneubau.

Dass bei Hertha BSC seit dem Sommer vieles neu ist, ist keine neue Erkenntnis. Selbst vor der Mitgliederversammlung machen die Innovationen nicht halt. Das Podium mit den Honoratioren auf der Bühne ist eingemottet worden, und die Berichte der Abteilungen werden jetzt zum Teil als Interviews abgehandelt.

„Transparent, nahbar und informativ“ soll dieses Format sein, sagt Kay Bernstein, seit dem Sommer Präsident des Berliner Fußball-Bundesligisten und die treibende Kraft hinter dem Erneuerungsprozess.

„Ich finde, dass der Verein nahbarer, demütiger geworden ist“, sagt Bernstein. „Wir haben ein Miteinander hinbekommen.“ Von den 44.211 Mitgliedern des Vereins sind am Sonntagvormittag gut 1500 in die Messe gekommen.

Herthas Präsident wünscht sich Sachlichkeit

Es ist die vierte Mitgliederversammlung in diesem Jahr, und nachdem es im Mai und Juni „durchaus emotional, durchaus laut“ zugegangen sei, wie Bernstein sagt, wünscht sich Herthas Präsident zu Beginn, „dass wir sachlich miteinander umgehen und unterschiedliche Meinungen zulassen“. Das bleibt – zumindest in einem wichtigen Punkt – ein frommer Wunsch.

Denn auch wenn diesmal keine Wahlen anstehen, birgt die Versammlung einige Brisanz. Sportlich hat sich die Situation durch den Heimsieg der Profis gegen den 1. FC Köln am Tag zuvor zwar merklich beruhigt, finanziell aber bleibt die Lage prekär. Thomas Herrich muss einen Jahresfehlbetrag von 79,8 Millionen Euro verkünden. „Das ist eine herausfordernde Situation“, sagt der neue für die Finanzen zuständige Geschäftsführer.

Allein die Personalkosten sind im Geschäftsjahr 2021/22 auf fast 100 Millionen Euro gestiegen – bei einem Umsatz von 146,5 Millionen Euro. Das Eigenkapital ist im Gegenzug auf 29,5 Millionen Euro (von 107,7 Millionen im Vorjahr) geschrumpft. Die Verbindlichkeiten betrugen 80,8 Millionen Euro (Vorjahr 99,6 Millionen). Davon sind 40 Millionen Euro zinstragend aus der Anleihe, die Hertha in einem Jahr zurückzahlen muss.

146,5
Millionen Euro beträgt der Umsatz von Hertha BSC

„Wir müssen in allen Bereichen Kosten reduzieren und die Erlöse steigern“, sagt Herrich. Auf Nachfrage bestätigt er, dass Hertha noch 40 Prozent der vereinbarten Ablöse für Jhon Cordoba zustehen, der im Sommer 2021 für kolportierte 20 Millionen Euro zu FK Krasnodar nach Russland gewechselt ist. Wann der Klub das Geld bekommt, ist angesichts der aktuellen Situation in Russland offen.

„Wir wollen hier keine Angst schüren, aber wir brauchen ein anderes Kostenbewusstsein“, sagt Herthas Finanzgeschäftsführer. Ein Liquiditätsproblem habe der Klub allerdings nicht: „Es wird nichts wie ein Kartenhaus zusammenfallen.“

Ums Geld geht es auch, als Präsident Bernstein zu den größten Herausforderungen in den kommenden Jahren befragt wird. „Wir müssen wirtschaftlich konsolidieren“, sagt er. „Wir müssen wirtschaftlich umdenken.“ Außerdem nennt er als wichtige Themen den Aufbau einer Frauenfußballabteilung, die von den Mitgliedern mit großer Mehrheit beschlossen wird, und den Bau eines neuen Stadions.

Zumindest in Sachen neues Stadion gibt es laut Bernstein erfreuliche Entwicklungen. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) befürworte die Pläne des Klubs, auf dem Olympiagelände ein neues Stadion zu errichten. Derzeit erörtert eine Expertenkommission des Senats, ob der ausgeguckte Standort nördlich des Maifelds dafür in Frage kommt. „Wir gehen davon aus, dass wir im nächsten Sommer Klarheit haben“, sagt Bernstein. Aktuell geht Hertha von einer Eröffnung des neuen Stadions erst im Jahr 2030 aus.

Anders, als es sich Präsident Bernstein zu Beginn der Versammlung gewünscht hat, geht es zumindest einmal durchaus laut und durchaus emotional zu: als es um die Abwahl von Klaus Brüggemann als Vorsitzender des Aufsichtsrats geht. René Bär, der den Antrag eingereicht hat, wirft Brüggemann „persönliche Egoismen“ vor.

Der Abwahlantrag von Brüggemann wird abgelehnt

Der Aufsichtsratsvorsitzende, der sich im Sommer bei der Präsidentenwahl klar für Bernsteins letztlich gescheiterten Gegenkandidaten Frank Steffel positioniert hat, gibt zwar Fehler zu, wehrt sich aber sehr vehement gegen die Vorwürfe. Da würden „Dinge in den Raum gestellt, die nicht stimmen“, sagt er.

Bevor über seine Abberufung abgestimmt wird, wird zunächst über den Antrag abgestimmt, die Abwahl gar nicht erst zu behandeln. Dieser Antrag verfehlt die nötige (einfache) Mehrheit, genauso wie dann auch der Antrag zu Brüggemanns Abwahl selbst. 75 Prozent wären dafür notwendig. Am Ende stimmen 614 Mitglieder dafür (51,64 Prozent), 575 dagegen (48,36 Prozent).

Brüggemann bleibt damit im Amt. Der Zufall will es, dass er gleich nach Verkündung des Ergebnisses wieder auf die Bühne muss, um den Bericht des Aufsichtsrats zu präsentieren. „Ich werde mir mit Sicherheit das eine oder andere zu Herzen nehmen“, sagt er.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false