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Sport: Mitreißend unerfahren

Dem deutschen Basketballteam fehlt gegen Argentinien nur die Abgezocktheit

Luis Scola warf einen ungläubigen Blick in Richtung Hallendecke, wo in der Kadir-Has-Arena von Kayseri die Anzeigetafeln hängen. Was der argentinische NBA-Profi knapp fünf Minuten vor Schluss des WM-Spiels gegen Deutschland sah, gefiel dem 30-Jährigen gar nicht. Bereits mit 14 Punkten hatte sein Team, immerhin Weltranglistenerster und Olympia-Dritter, gegen die jüngste deutsche Basketball-Nationalmannschaft aller Zeiten geführt. Doch nun hatte Steffen Hamann auf 63:68 verkürzt, und das gesamte deutsche Team war jubelnd aufgesprungen. Scola musste tatsächlich bis zur Schlusssirene zittern, ehe seine Mannschaft die Deutschen im Auftaktspiel beider Teams 78:74 (39:42) niedergerungen hatte.

„Es war frustrierend, weil wir uns immer wieder abgesetzt haben – und die Deutschen immer wieder zurückkamen“, sagte der argentinische Kapitän. „Sie spielen sehr diszipliniert. Ich glaube, dass sie in diesem Turnier weit kommen werden.“ Bundestrainer Dirk Bauermann zog trotz der unglücklichen Niederlage etwas Positives aus der mitreißenden Leistung seiner Mannschaft. „Wir waren über weite Strecken ebenbürtig. Auch wenn die Enttäuschung jetzt groß ist, werden wir viel Energie aus diesem Spiel mitnehmen“, sagte Bauermann im Hinblick auf das zweite Gruppenspiel gegen Serbien am Sonntag, das erst nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe beendet war.

Die Hoffnung der Deutschen im Spiel gegen den Favoriten aus Argentinien bestand am Samstagabend vor allem darin, möglichst lange im Spiel zu bleiben und am Ende „die jüngeren Beine“ zu haben, wie es Bauermann formuliert hatte. In der mit rund 6000 Zuschauern gut gefüllten Halle gelang das zunächst: Nur einmal wurden die vielen argentinischen Fans lauter – als die Deutschen beim Stand von 24:33 bedenklich zurücklagen. Bis zur Pause hatte der hervorragende Demond Greene, am Ende mit 20 Punkten bester deutscher Werfer, die Deutschen wieder herangeführt.

Mit der Halbzeitsirene traf Greene per Dreier sogar zur 42:39-Führung. Hätte sich Bauermanns Team nicht so viele Ballverluste erlaubt, wäre es der Sensation zu diesem Zeitpunkt noch näher gewesen. Nach der Pause kam ein zweites Problem dazu: zu viele Fouls. Nach dem Spiel haderten die Deutschen mit dem Schiedsrichter-Trio, das den Argentiniern 34 Freiwürfe zugesprochen hatte und Bauermanns Team nur 15. Angeführt von seinen NBA-Profis Carlos Delfino (27 Punkte) und Scola (20) erzielte Argentinien 14 Punkte in Folge und setzte sich auf 63:49 ab.

Im Schlussviertel trat ein, was der deutsche Trainer herbeigesehnt hatte: Während seine minimal verstärkte U-23-Auswahl weiter rannte, sprang und verteidigte, wurden die Südamerikaner tatsächlich müde – Deutschland verkürzte den Rückstand. Der erstmals eingewechselte Philipp Schwethelm warf sofort einen Dreier, das Spiel war plötzlich wieder offen. Tim Ohlbrecht glich zweimal an der Freiwurflinie aus, beging dann aber ein strittiges Offensivfoul.

30 Sekunden vor Schluss hatten die Deutschen trotzdem Ballbesitz und die Chance, das Spiel beim Stand von 74:75 zu gewinnen. Doch unter den ohrenbetäubenden Pfiffen der türkischen Zuschauer, die sich mit der argentinischen Enklave verbrüdert hatten, ließ sich der älteste und erfahrenste deutsche Spieler, Demond Greene, den Ball aus der Hand schlagen, Delfino wurde gefoult und verwandelte seelenruhig zwei Freiwürfe. Im Gegenzug vergab Hamann zweimal von der Linie, das packende Spiel war damit endgültig für die Deutschen verloren. „Am Ende hat uns die Abgezocktheit gefehlt“, sagte Schwethelm, der wie acht andere deutsche Spieler sein erstes WM-Spiel bestritten hatte. „Da hat man gemerkt, dass die Argentinier die erfahrenere Mannschaft sind.“

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