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Sport: Moral gegen Regel

Referee Amerell erklärt, warum Rydlewicz ohne Strafe blieb

NACHSPIEL

In Rostock läuft die letzte Spielminute. Bixente Lizarazu vom FC Bayern München schießt den Ball unbedrängt und freiwillig ins Aus, weil Rostocks Gernot Plassnegger verletzt an der Mittellinie liegt und behandelt werden muss. Nach dem anschließenden Einwurf schießt René Rydlewicz von Hansa Rostock den Ball nicht, wie das sonst üblich ist, zurück zum FC Bayern, sondern leitet eine Torchance ein. Die BayernSpieler sind empört. In der nächsten Spielunterbrechung läuft Torhüter Oliver Kahn auf den Rostocker zu und beschimpft ihn. Auch Trainer Ottmar Hitzfeld ist wütend. „Das ist grob unsportlich“, sagte er unmittelbar nach dem Spiel, das müsse abgepfiffen werden. Stimmt das, Herr Amerell?

Nein, da irrt sich Herr Hitzfeld. Es gibt keine Regel, die das vorsieht. Das ist eine Frage von Anstand und Moral, sozusagen ein ungeschriebenes Gesetz, den Ball wieder zurückzuschießen. Aber regeltechnisch gibt es keine Sanktionsmöglichkeit für Schiedsrichter Herbert Fandel. Auch wenn er vielleicht wie alle Zuschauer der Meinung ist, dass das nicht in Ordnung ist, was der Rydlewicz macht. Eine Unsportlichkeit, wie Herr Hitzfeld das nennt, war das im Sinne der Fußballregeln auch nicht. Darunter fällt nur, wenn der Spieler den Ball wegschießt oder den Gegner am Trikot hält.

Wenn Oliver Kahn im Anschluss gegen Rydlewicz tätlich geworden wäre, hätte er verwarnt werden müssen – sogar wenn seine Wut verständlich ist. Und Rydlewicz kommt straffrei weg, so ist die Regel. Die Situation in Rostock lässt sich vielleicht mit der Diskussion um die Nachtzuschläge bei Borussia Dortmund vergleichen. Da sind sich auch die meisten einig, dass das moralisch nicht in Ordnung ist. Trotzdem sind die Nachtzuschläge gesetzeskonform – solange das Gesetz nicht geändert ist. Ich glaube übrigens nicht, dass die Fifa nach dem Spiel in Rostock ihre Regeln ändern muss. Ich kann mich national wie international an keinen ähnlichen Fall erinnern. Was der Rydlewicz da gemacht hat, war regelkonform. Aber den Fairplay-Preis bekommt er dafür nicht.

Manfred Amerell (56) erklärt im Wechsel mit Hellmut Krug eine Szene des Bundesliga-Spieltages. Amerell sitzt im Schiedsrichterausschuss des DFB. Foto: dpa

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