zum Hauptinhalt
Alleine auf der Ringstraße. Didier Drogba (rechts), einziger Stürmer des FC Chelsea, fühlte sich gegen Barcelona vorne einsam. Foto: dpa

© AFP

Sport: Motorräder in der Flugschneise

Chelseas Spielweise steht nach dem Halbfinalsieg gegen Barcelona in der Kritik.

Als alles vorbei war, wollte es Sergio Busquets auch mal mit den Mitteln der Gegner versuchen: Der 23-Jährige drosch den Ball in hohem Bogen in den nassen Londoner Nachthimmel. Die Frust-Kerze nach Spielschluss war auf Seiten der Gäste aber der einzige Stilbruch am Mittwochabend. Der FC Barcelona blieb sich und seiner Spielidee mit den typischen Endlosstafetten (782 erfolgreiche Pässe, 72 Prozent Ballbesitz) natürlich bis zum bitteren Ende dieses 0:1 beim FC Chelsea an der Stamford Bridge treu – und auch noch darüber hinaus. Pep Guardiola dürfte der einzige Trainer auf der Welt sein, der nach Niederlagen verfügt, dass alles gleich zu bleiben habe.

„Chelsea ist nun der Favorit“, sagte der 41-Jährige nach dem verlorenen Halbfinal-Hinspiel , „aber wir werden im Rückspiel noch einmal versuchen, 24 Chancen herauszuspielen und dann zu treffen.“ Dieses entscheidende Detail – „es geht im Fußball um Tore“ (Guardiola) – fehlte seinen Jungs leider im durchaus ansprechenden Vortrag an der Themse, gegen grimmig verteidigende Londoner, die mit ihrem einzigen zielgerichteten Torschuss des Spiels triumphierten. Die Latte, der Pfosten, Ashley Cole auf der Torlinie, Petr Cechs Hände, Ungenauigkeit im Abschluss oder die blaue, aus neun Männern gebildete „Mauer des Starrsinns“ (Daily Telegraph) verhinderten auf der anderen Seite jene vier, fünf Barça-Treffer, die dem Spielverlauf entsprochen hätten.

Vielleicht zeichnete auch eine Spur von Selbstgefälligkeit verantwortlich für die katalanische Null. In Andrés Iniestas Klage über das „ungerechte Ergebnis“ mischte sich die Einsicht, dass die Champions-League-Titelverteidiger im Rückspiel „mehr Arbeit, mehr Effizienz“ zeigen müssen, um Chelseas knurrige Veteranentruppe zu eliminieren.

„Wir haben gemacht, was wir konnten“, sagte der überragende Keeper Cech nach der erfolgreichen, von Drogbas „Lucky-Punch“ (Ballverlust von Lionel Messi im Mittelkreis) vergoldeten Defensivschlacht. Man konnte das sowohl als großes Lob als auch eine Art Eingeständnis werten. Die auf Konter ausgerichtete, robuste Spielweise der Londoner hatte Barcelona schon in der Vergangenheit öfter Probleme bereitet; Cesc Fàbregas hatte die Briten vor dem Match ja als eine Schwadron „Motorräder“ bezeichnet, die ihren eigenen Befreiungsschlägen hinterher rase. Doch derart destruktiv hatte man Chelsea international noch nicht erlebt.

„Die alte Garde“ (so Interimscoach Roberto Di Matteo) um Drogba, John Terry, Frank Lampard und dem famosen Linksverteidiger Cole war sich der eigenen Gestaltungsdefizite bewusst und beschränkte sich konsequent auf Zerstörung. Juan Mata, der einzige echte Techniker im Gastgeber-Mittelfeld, erlebte die Partie, wie ein Mann, der unter der Heathrow-Flugschneise wohnt: Ungläubig schaute der kleine Spanier nach oben, wo Cechs Abschläge oder die weiten Einwürfe von Branislav Ivanovic über ihn hinwegrauschten, wenn Chelsea das Spielgerät überhaupt mal kurz hatte. „Es fühlte sich an, als ob sie mit 20 Mann auf dem Platz standen. In den ersten zehn, fünfzehn Minuten haben wir den Ball gar nicht berührt“, sagte Kapitän John Terry, mit nur geringfügiger Übertreibung.

Torschütze Drogba kam sich in dem 4-5-1-System mit zwei eng am Strafraum postierten Verteidigungsreihen vor, als ob das Barcelona-Tor „irgendwo auf der M25“, der gut 18 Kilometer entfernten Londoner Ringstraße stünde, so weit war der Ivorer meist von Victor Valdés weg.

Auf spanische Fundamental-Fragen nach Moral oder Ästhetik wollte sich Guardiola nicht einlassen: „Unfair oder fair – das spielt keine Rolle. Nur Sieger bleiben in Erinnerung“, sagte er relativ entspannt. Nun gelte es eben, die Gelegenheiten im Nou Camp am Dienstag zu nutzen. Di Matteo, der 13 von 15 Spielen gewonnen hat, wies die Favoritenrolle gleich wieder von sich. „Die Chancen stehen 50-50, es wird ein sehr schweres Spiel werden“, sagte der Italo-Schweizer, der am Mittelmeer vermutlich noch mehr blauen Stacheldraht um den eigen Sechzehner ausrollen wird.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false