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Sport: Muster mit Wert

Am Ende glich alles einer Flucht. Der neue Kapitän Oliver Kahn und seine Bayern-Kollegen Mehmet Scholl und Carsten Jancker hasteten zur Chartermaschine MTM 13 in Zweibrücken zum Cityhopping nach Ingolstadt.

Am Ende glich alles einer Flucht. Der neue Kapitän Oliver Kahn und seine Bayern-Kollegen Mehmet Scholl und Carsten Jancker hasteten zur Chartermaschine MTM 13 in Zweibrücken zum Cityhopping nach Ingolstadt. Die Dortmunder um Jens Lehmann und Sebastian Kehl brausten noch in der Nacht über die Autobahn. Nur ein paar wie Oliver Bierhoff, die Bremer Bode, Frings und Baumann übernachteten nach dem 7:1-Erfolg im ersten Test des WM-Jahres über Israel am Flughafen Frankfurt. Selbst Teamchef Rudi Völler verschwand. Ein kurzer Besuch im VIP-Raum des Fritz-Walter-Stadions, dann schaute Völler nach den blauen Schildern, die vom Betzenberg zur Autobahn führen. Er wollte allein sein mit den Gedanken, die zwischen Erleichterung und realistischer Einschätzung schwankten.

Alle werden sie sich nach der tieferen Erkenntnis des Spiels gefragt haben. Die Antworten, die Völler in der Einsamkeit auf der Autobahn fand, fielen vielleicht eine Spur ehrlicher aus als zuvor, als sich die erste Mannschaft der Nation auch ein wenig Mut machte für den schweren Weg nach Asien. In Japan und Südkorea wird es wohl kein Desaster geben wie bei der EM in Holland und Belgien, die sich im April 2000 beim 1:1 gegen die Schweiz in Kaiserslautern andeutete. "Ich glaube schon, dass die Relegationsspiele gegen die Ukraine die Mannschaft näher zusammen gebracht haben", sagte Sebastian Kehl. "Die Stimmung ist gut, die Spieler kommen gerne zur Nationalmannschaft", sagte Völler. Und Kahn stellte fest, "dass es jetzt um die WM-Plätze geht. Da will jeder rein. Da muss man Leistung bringen."

Sie gaben sich alle Mühe, den neuen Geist und das neue Wir-Gefühl hochzuhalten. Miroslav Klose flüsterte trotz seiner drei Tore bei den Interviews wie eh und je. "Da ist was passiert im Team", sagte der Stürmer vom 1. FC Kaiserslautern. Neben ihm bemühte sich der alte Kapitän Oliver Bierhoff um eine nüchterne Einschätzung des Sieges: "Der Gegner war zu schwach für eine echte Standortbestimmung, viel schwächer als die Schweiz damals."

Der neue Kapitän Oliver Kahn erinnerte an das "große Potenzial der Mannschaft". Immerhin war es eine bessere B-Elf, die 7:1 gegen Israel gewonnen hatte. Rudi Völler fühlte sich in den Tagen im Saarland und in der Pfalz an einen Workshop erinnert, die Mannschaft glich einer Baustelle: Der Verkehr fließt weiter, obwohl es alles andere als optimal ist. Nach den Ausfällen von neun Spielern musste Völler improvisieren. "Das kann uns bei einer WM auch wieder passieren", sagte er. Kehl mühte sich auf der ungewohnten linken Seite, und Mehmet Scholl, nach zahlreichen Verletzungen längst noch nicht auf der Höhe seiner Schaffenskraft, arbeitete ohne viel Unterstützung allein hinter den beiden Spitzen Jancker und Klose.

Völler aber wird nicht übersehen haben, dass der erzwungene Umbau zu einigen Unsicherheiten in der Defensive führte. Doch die Mannschaft muss ihren Weg jetzt alleine finden. Kaiserslautern war der erste Schritt. Das Lob von Israels Nationalcoach Richard Möller-Nielsen dürfte Völler nur als nette Geste verbucht haben. "Das war mehr als Fußball in Vollendung", sagte der Däne, der sich nach Völlers höchstem Sieg und der "schlimmsten Niederlage Israels", wie israelische Journalisten meinten, fragen lassen musste, ob er nicht besser zurücktrete.

In diesem Moment spürte Völler wieder die Erleichterung, die ein solcher Sieg beschert. In den langen Diskussionen, als es in der DFB-Zentrale und daheim bei der Familie um seine eigene Vertragsverlängerung ging, hatte sich Völler gerade vor den öffentlichen Debatten um seine Person gefürchtet, die aufkommen, wenn es nicht läuft. Deshalb genoss er den Abend in der Pfalz doch noch: "Am Ende sah doch alles richtig toll aus."

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