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Nach Anschlag: Togo zwingt Nationalmannschaft zur Rückkehr

UPDATE Nach dem Beschuss von Togos Mannschaftsbus mit mehreren Toten hat die togoische Regierung ihre Fußballnationalmannschaft gegen deren Willen zurückbeordert. Die Spieler wollten beim Africa Cup spielen, um "nicht wie Feiglinge" zu fliehen.

Die togoische Regierung besteht nach dem Anschlag auf ihre Fußballnationalmannschaft darauf, dass sich das Team vom Afrika Cup in Angola zurückzieht. Ministerpräsident Gilbert Houngbo betonte am Sonntag in Lomé: „Die Entscheidung der Regierung ist unabänderlich. Die Mannschaft muss heute zurückkehren.“ Es wäre unverantwortlich, wenn die Regierung dem Verbleib ihrer Spieler in Angola zustimmen würde.

Die Spieler hatten in der Nacht zu Sonntag beschlossen, dass sie „nicht wie Feiglinge“ fliehen wollen und trotz der Aufforderung der Regierung, aus Angola abzureisen, um den Afrika Cup spielen wollen. Damit droht nun ein Bruch mit der Regierung. Houngbo sagte, wenn bei der Eröffnung des Afrika Cup eine Mannschaft oder auch einzelne Spieler unter der Fahne Togos aufliefen, sei das eine „falsche Mannschaft“.

Um 15.15 Uhr war es passiert: Togos Mannschaftsbus, der gerade vom Trainingslager in Kongo auf dem Weg zum Afrika- Cup war, rollte nach dem Grenzübertritt seit zehn Kilometern auf angolanischem Boden. Da stürmten aus dem Dickicht vermummte, schwer bewaffnete Guerilla- Krieger und eröffneten Maschinengewehrfeuer auf den von zwei Militärfahrzeugen begleiteten Konvoi. Militär und Guerillas lieferten sich eine lang anhaltende Schießerei, bevor die Angreifer wieder im Dickicht des Tropenwaldes verschwanden. Zurück blieb ein Bild des Grauens: Scherben, Blut, verletzte Sportler. "Wir wurden mit automatischen Waffen wie Hunde beschossen und haben uns 20 Minuten lang in Todesangst unter unsere Sitze gekauert", berichtete der togolesische Stürmer Thomas Dossevi vom französischen Zweitligisten FC Nantes.

Über die Zahl der Toten gab es am Samstag unterschiedliche Angaben. Ersatz-Torhüter Kodjovi Obidale, der einen Schuss in den Rücken bekommen hatte, kämpfte offenbar ums Überleben. Während der französische Radiosender RMC am Abend berichtete, der Keeper habe seine Verletzungen nicht überlebt, wurde dies vom Präsidenten von Obilales französischen Amateurklub GSI Pontivy dementiert. Obilale war derweil zu einer Notoperation in eine Klinik ins südafrikanische Johannesburg gebracht worden.

Ein Sprecher des afrikanischen Verbandes bestätigte, dass ein Assistenztrainer Togos und der Pressesprecher gestorben seien. Togos Torhüter Kossi Agassa sprach von drei Opfern. Ob auch der Busfahrer starb, darüber gibt es unterschiedliche Angaben. Sieben weitere Mannschaftsbetreuer und Soldaten wurden nach angolanischen Regierungsangaben von Samstag verwundet - darunter Mittelfeldspieler Serge Akakpo, der von einem Schuss in die Niere getroffen worden war.

Togo sagte die Teilnahme an dem Turnier ab, das am Sonntag trotzdem starten soll. Gespräche mit den Organisatoren darüber, das Turnier später beginnen zu lassen, hätten keine Entscheidung gebracht, sagte Togos Stürmer Thomas Dossevi. "Ich bin sicher, dass andere Mannschaften auch nicht spielen werden, wenn der Beginn des Turniers nicht verschoben wird", sagte Dossevi der Nachrichtenagentur AP. Togos Regierung entschied, die Mannschaft nach Hause zu holen, die unter Schock stehe. Emmanuel Adebayor, der unverletzt gebliebene Stürmer von Manchester City, sagte: "Wir haben gesehen, wie Teamkollegen mit einer Kugel im Körper vor Schmerzen geschrien haben. Ich denke nicht, dass alle von uns diese Bilder schnell wegstecken können." Togo sollte am Montag in Cabinda gegen Ghana sein erstes Turnierspiel bestreiten. Auch die Ghanaer berieten am Samstagabend darüber, ob sie abreisen sollen.

Der Afrika-Cup steckt nun schon vor dem Start in der Krise. Vor dem Eröffnungsspiel zwischen Angola und Mali forderte der Weltverband Fifa von Afrikas Fußball-Konföderation (CAF) Aufklärung. Auf die Frage, ob das Turnier noch stattfinde, antwortete ein CAF-Sprecher in Angolas Hauptstadt Luanda: "Das Turnier wird ganz sicher nicht abgesagt. Aber mehr weiß ich auch nicht."

Eigentlich wollte Angola der Welt beweisen, dass es sich vom langjährigen Bürgerkrieg erholt hat, der vor acht Jahren zu Ende gegangen ist. Nun wird auch auswärtigen Gästen klar: Angola ist ein gefährliches Land. Hier liegen noch Millionen Landminen. Und nun schockiert die politische Gewalt in der Provinz Cabinda.

Offenbar war der Angriff in der Grenzenklave Cabinda genau geplant. Am Samstag bekannte sich der bewaffnete Arm der separatistischen Bewegung FLEC (Front für die Befreiung der Enklave Cabinda) zu dem Anschlag, wie die portugiesische Nachrichtenagentur Lusa berichtete. Die Gruppe habe weitere Angriffe während des Turniers angedroht.

Die Lage in der Provinz ist schwierig: Ursprünglich sollte das Gebiet von der Kolonialmacht Portugal als eigener Staat in die Selbstständigkeit entlassen werden. Dann reklamierte Angola die Enklave während der eigenen Unabhängigkeitsverhandlungen für sich und besetzte sie 1975. Es kam zu bewaffneten Konflikten mit lokalen Widerstandsgruppen. Nach einem von Angolas Machthabern und einer Guerillabewegung vor vier Jahren unterzeichneten Friedensabkommen war es in Cabinda seltener zu Angriffen gegen Regierungskräfte gekommen. Andererseits hatten Seperatisten damit gedroht, ihre Aktionen vor dem Afrika-Cup, der auch in Cabinda ausgetragen wird, zu verstärken.

Die Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch (HRW) hatte schon vor dem Turnier wiederholt auf die Unruheprovinz hingewiesen und das harte Vorgehen des angolanischen Regimes kritisiert. Nach einer HRW-Studie sind zwischen September 2007 und März 2009 mindestens 38 Menschen willkürlich verhaftet und ohne ordentliches Verfahren angeklagt worden. Die meisten von ihnen seien Opfer von Isolationshaft und Folter durch Militär und Geheimdienste geworden. "Der anscheinend von Rebellen ausgeführte Überfall auf internationale Sportler ist schockierend", erklärte Georgette Gagnon, Afrika-Direktorin von HRW. "Die angolanischen Behörden haben das Recht, als Antwort die Sicherheitsmaßnahmen zu verschärfen." Allerdings rechtfertige dies nicht die illegalen Verhaftungen und das Drangsalieren der Medien. Das angolanische Regime hatte vor dem Afrika-Cup zwei Journalisten festgenommen - anscheinend wegen ihrer Berichte über die Sicherheitslage in Cabinda.

Der afrikanische Verband CAF nahm Togos Team in die Mitverantwortung. So fragte ein CAF-Sprecher: "Warum sind sie mit dem Bus gefahren? Wären sie geflogen, wäre garantiert nichts passiert." Eine organisatorisch vielleicht berechtigte Frage, angesichts der Toten aber eine unsensible Reaktion der überforderten Turnier-Organisatoren, die das Drama erst verharmlosen wollten. Es sei nur auf die Reifen des Busses geschossen worden, hieß es zunächst aus Luanda. Später wurde eingeräumt, es habe doch zwei Verletzte gegeben. Erst am Samstag, als alle Welt schon von dem Überfall erfahren hatte, kam die offizielle Bestätigung.

Da herrschten in Togos Team schon Entsetzen und Trauer. Kapitän Adebayor reiste als Erster ab und bedauerte, dass Afrikas Image ausgerechnet im Jahr der WM in Südafrika schwer leide: "Wir sagen immer wieder, dass wir Afrikaner das Image unseres Kontinents verändern müssen, um weltweit respektiert zu werden. Doch leider passiert das nicht." (mit dpa)

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