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Verzweifelt in Växjö. Anja Mittag ärgert sich beim torlosen EM-Auftaktspiel der deutschen Nationalmannschaft über eine vergebene Tormöglichkeit.

© dpa

Nach dem 0:0 gegen Holland: Die deutschen Gespenster von 2011

Die deutschen Fußballerinnen enttäuschen beim EM-Auftakt gegen die Niederlande wie schon bei der Heim-WM vor zwei Jahren – weil sie wieder mit ihren Nerven kämpfen.

Um Mitternacht stimmten die Nationalspielerinnen ein Ständchen für Simone Laudehr an. „Wir können ganz gut singen, wir machen das ja öfter“, sagte Saskia Bartusiak. Das fröhliche Lied zum 27. Geburtstag der Mittelfeldspielerin lockerte die leicht gedrückte Stimmung im Hotel Elite Park in Växjö etwas auf. Das passte Silvia Neid gut ins Konzept. Die Bundestrainerin war bemüht, mit Gelassenheit die aufkommende Panik einzuschränken. „Es ist nichts passiert“, sagte Neid, nachdem die DFB-Frauen in Växjö mit einem 0:0 gegen die Niederlande in die Europameisterschaft gestartet waren.

Ihre verunsicherten Spielerinnen vor dem zweiten Gruppenspiel gegen Island am Sonntag (20.30 Uhr, live im ZDF und bei Eurosport) physisch zu stabilisieren und wieder locker zu machen, betrachtete Neid als ihre Hauptaufgabe. Denn die Erkenntnis des EM-Auftakts lautete, dass die deutsche Frauen-Nationalmannschaft wahrscheinlich vor ihrem härtesten Turnier seit 20 Jahren steht. In der Form darf sie auf jeden Fall keinen Anspruch auf den achten Titelgewinn anmelden. „Wir haben sehr ängstlich gespielt, wir waren wie gelähmt und konnten unser Spiel nicht so aufziehen“, sagte Nadine Angerer. Die Torhüterin, mit 34 Jahren die Älteste im Team, rettete mit starken Paraden dem siebenmaligen Europameister wenigstens einen Punkt.

Ihre jungen Mitspielerinnen thematisierten danach freimütig ihre Nervosität. „Man weiß, dass es das erste EM-Spiel ist und merkt, dass es etwas ganz anderes als ein normales Länderspiel ist“, sagte Lena Goeßling, die mit Wolfsburg in dieser Saison drei Titel gewann und immerhin schon 51 Länderspiele bestritten hat. Der Mentaltrainer Markus Hornig traf erst kurz vor dem Spiel in Schweden ein. „Jeder kann auf ihn zugehen, wenn er will. Ob er jetzt intensiver zum Einsatz kommt, weiß ich nicht“, sagte Saskia Bartusiak.

Neid will das Thema der großen Anspannung keinesfalls vertiefen. Dies könnte sich vor dem Duell gegen Island, das gegen Mitfavorit Norwegen ein 1:1 erkämpfte, kontraproduktiv auswirken. Die Unruhe am Ball, die mangelnde Abgeklärtheit, die Hektik und selbst die „Panik in der Abwehr“, die Neid selbst so bezeichnete, das war für die Bundestrainerin nur eine Momentaufnahme. Die soll kein nachhaltig auftretendes Problem werden – die Erinnerung an die WM 2011, als ein viel erfahreneres Team an den hohen Erwartungen scheiterte, ist allerdings unvergessen. „Der Druck war da, weil jeder wusste, dass das eine Europameisterschaft ist, aber das war überhaupt nicht vergleichbar mit der WM 2011“, sagte Lena Goeßling. Neid fordert gegen Island die richtige Reaktion. Dafür will sie den Spielerinnen eine große Fehleranalyse präsentieren.

Die Kritik ist umfassend. Die Standards waren enttäuschend, es gab kaum spielerische Lösungsversuche. Nadine Keßler kritisierte, dass Torhüterin Nadine Angerer nur lange Bälle schlägt, womit kein strukturierter Spielaufbau möglich ist. Sie selbst hat aber in der Wolfsburger Doppel-Sechs neben Goeßling nach einer harten Saison offenbar ihre gute Form verloren. Die hochgelobte Dzsenifer Marozsan gehörte zur Fraktion der Supernervösen. Celia Okoyino da Mbabi ist zudem keine zuverlässige Torjägerin wie Birgit Prinz oder Inka Grings. Doch das soll alles gegen Island keine Rolle mehr spielen. „Keiner bestreitet, dass diese Mannschaft Potenzial hat. Wir werden uns in das Turnier reinfinden“, sagte Verteidigerin Annike Krahn.

Gregor Derichs[Växjö]

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