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Berechtigter Einsatz? Istanbuls Didier Drogba (links) gegen Schalkes Sead Kolasinac.

© Reuters

Nach dem 1:1 in Istanbul: Schalke hofft und erhebt Einspruch

Nach dem 1:1 in der Champions League bei Galatasaray Istanbul hofft Schalke 04 auf Besserung in der Liga. Und erhebt Einspruch gegen die Wertung, wegen Didier Drogba.

Der Blick war gen Boden gerichtet, der Schritt wurde immer schneller. Sehe ich sie nicht, sehen sie mich auch nicht schien sich Sead Kolasinac gedacht zu haben, als er nach dem 1:1 im Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League bei Galatasaray Istanbul durch den Pulk der Journalisten hindurch zum Mannschaftsbus gehen musste. Der Schalker Verteidiger wehrte sämtliche Frageversuche ab, indem er sie schlicht ignorierte. Nicht einmal das klubeigene Fernsehen, bei dem er keinerlei kritische Fragen zu beantworten hätte, hat es in den vergangenen Wochen geschafft, den 19-Jährigen dazu zu bewegen, ein paar Sätze für die Öffentlichkeit zu sagen. So auch nicht an diesem Abend in Istanbul.

So scheu, geradezu ängstlich sich Kolasinac in dieser Disziplin in seinem Leben als junger Berufsfußballer (noch) gibt, umso Forscher geht er auf dem Fußballplatz vor. Der gebürtige Karlsruher mit bosnischen Wurzeln, der seit Saisonbeginn im Kader der Schalker Profis steht und die A-Jugend vormals als Kapitän zur deutschen Meisterschaft geführt hatte, hatte den Türken die Stirn geboten. Er hatte die Galatasaray-Stars Wesley Sneijder und Didier Drogba genauso unbarmherzig auf dem Feld bearbeitet wie alle anderen weniger namhaften türkischen Spieler die in seine Nähe kamen. Auch ein Zusammenprall mit Drogba mit dem Kopf in der ersten Hälfte, der bei Kolasinac Schwindelgefühle auslöste und seine Sehfähigkeit beeinträchtigte, konnten ihn nicht stoppen.

Er wollte seine Chance nutzen, die er aufgrund der langfristigen Formschwäche des rechten Verteidigers Christian Fuchs bekam. Kolasinac versuchte seine Gegenspieler aus dem Spiel zu nehmen aber auch die Fehler seiner Kollegen auszubügeln. Es gelang ihm sehr viel, wenn auch nicht alles. "Sead hat ein überragendes Spiel gemacht. Nach dem Zusammenprall hat er sich zwei-, dreimal geschüttelt und dann einfach weitergespielt", lobte Trainer Jens Keller das Talent geradezu überschwänglich. Der 42-Jährige hatte sich getraut, Kolasinac in diesem von 55.000 Zuschauern emotional aufgeheizten Stadion zu vertrauen. Dieser Mut wurde belohnt. Die Mannschaft hatte sich an diesem Abend, anders als in so vielen Spielen zuvor und bei den immer noch vorhandenen, grossen Problemen in der Defensive, immerhin als Team präsentiert. Auch weil ein Team-Spieler wie Kolasinac daran mitwirkte.

Keller hatte an diesem Tag mit seinen Ideen Werbung in eigener Sache gemacht. Bereits vor dem Spiel hatte er bei der Teambesprechung die besondere Atmosphäre im Stadion nachgestellt und so versucht, seine Mannschaft auf "die Hölle von Istanbul" vorzubereiten. "So laut kann man die Boxen aber gar nicht aufdrehen, als dass dies vergleichbar wäre", sagte Schalkes Torschütze Jermaine Jones zwar scherzhaft, aber es zeigte, dass diese Form der Einstimmung keine alltägliche war. Die Vorbereitung, das Spiel, der gesamte Wettbewerb hatte für eine besondere Fokussierung der Schalker Spieler gesorgt. Die Champions League übt eine spezielle Faszination auf sie aus. "Das sind die Spiele, für die man als Fußballer lebt", sagte Marco Höger. "Aber wir müssen auch in der Bundesliga so weitermachen." Weshalb es diese Diskrepanz zwischen der europäischen Königsklasse, in der die Schalker bisher ungeschlagen sind, und dem Alltag Bundesliga gibt, ist für die Spieler nicht erklärbar. "Das spielt sich in der Hinterköpfen ab. Das ist kurios. Man gerät einfach in eine Negativspirale. Man weiß nicht so recht wie, und man weiß auch nicht, wieso man da dann plötzlich wieder herauskommt", sagte Höger.

Vielleicht mit einem Einspruch: Wegen des umstrittenen Wechsels von Didier Drogba aus China zu Galatasaray Istanbul wird Schalke 04 Einspruch gegen die Wertung des 1:1 einlegen. Dies kündigten Manager Horst Heldt und Finanz-Vorstand Peter Peters am Donnerstag vor dem Rückflug aus Istanbul an. Schalke will von der Uefa die Spielberechtigung von Drogba überprüfen lassen. In der Vorwoche hatte die Fifa Drogba eine vorläufige Spielerlaubnis für die türkische Liga und den Europacup erteilt. Drogba liegt im Vertragsstreit mit seinem bisherigen Verein Shanghai Shenhua, wo er bis 2014 unter Vertrag stand.

Aber auch so haben die Schalker Spieler und Verantwortlichen nach diesem vielversprechenden Auftritt die Hoffnung, dass die Mannschaft den Tiefpunkt ihrer Krise endlich durchschritten hat und es jetzt dauerhaft wieder aufwärts geht. "Das wird sich zeigen. Es war auch nur ein Unentschieden. Wir müssen auch mal wieder gewinnen", sagte Manager Horst Heldt, der zwar einen positiven Trend erkennen konnte aber noch lange keine endgültige Genesung des Patienten aus dem Ruhrgebiet ausrufen wollte. "Die Champions League ist eine ganz andere Geschichte", räumte Jermaine Jones ein, der im Rückspiel gegen Istanbul gesperrt sein wird, weil er seine dritte gelbe Karte gezeigt bekam. Allerdings nicht für ein Foulspiel, sondern, weil er eine Strafe für seinen Gegenspieler forderte. "Aber dann kann ich in der nächsten Runde wieder dabei sein", sagte der Mittelfeldspieler. Jones schien überzeugt davon zu sein, dass seine Kollegen die Aufgabe am 12. März in Gelsenkirchen lösen werden und die Schalker Europa-Reise mindestens bis ins Viertelfinale weitergeht. Gegen die Türken, die mit einer merkwürdigen Zurückhaltung im Mittelfeld agierten, die es so in der Bundesliga nicht mehr zu sehen gibt, dürften die Chancen darauf gut stehen.

Am Samstag treffen die Königsblauen in der heimischen Arena auf Fortuna Düsseldorf. Ein Sieg gegen den Aufsteiger wäre Pflicht. Für dieses Spiel der wankelmütigen Schalker steht aber wohl nur fest, dass Sead Kolasinac sein viertes Pflichtspiel von Anfang bestreiten wird.

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