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Holland hilflos. Ob Bert van Marwijk Trainer der Elftal bleibt, ist fraglich.

© dapd

Nach dem EM-Aus: Hollands steinharte Wahrheit

Drei Spiele, drei Niederlagen, null Punkte: Holland verlässt die EM mit einem Trauma. Es ist unklar, ob Trainer van Marwijk die Chance erhält, das zerstrittene Team wieder zu vereinen.

Mehr als ein paar Andeutungen wollten die Stars, als das Desaster unabwendbar war, nicht machen. „Es sind ein paar Dinge in der Mannschaft passiert“, raunte Arjen Robben, selbst eine der großen Enttäuschungen in der niederländischen Fußballnationalmannschaft, „aber die bleiben unter uns.“ Kapitän Mark van Bommel wurde schon bei Halbzeit des gegen Deutschland verlorenen Spiels auf die Bank zurückversetzt und war beim abschließenden 1:2 gegen Portugal von Anfang an Reservist. Nach dem frühen Aus für Holland bei der Europameisterschaft sagte er: „Die Dinge haben sich geändert in den vergangenen zwei Jahren. Die Atmosphäre war diesmal anders.“

Soll wohl heißen: giftiger, intriganter, auf jeden Fall unangenehmer als 2010. Damals glänzte das ganze Land in Oranje, nachdem die Elftal bei der Weltmeisterschaft in Südafrika mit ihrem pragmatischen Fußball als Zweiter fast ganz oben angekommen war. Und nun am Sonntagabend der sich längst abzeichnende Absturz in Charkiw. Dem 0:1 gegen Dänemark und dem 1:2 gegen die Deutschen folgte der endgültige Knock-out gegen die Portugiesen. Die freuten sich mit ihrem überragenden Kapitän und Torschützen Cristiano Ronaldo über den Einzug ins Viertelfinale, in dem sie am Donnerstag in Danzig auf Tschechien treffen. Die Niederländer hingegen flogen schon am Montagmittag derart zügig heim, wie man sie auf dem Rasen von Charkiw nie gesehen hatte.

Vor dem Turnier war die Mannschaft von Trainer Bert van Marwijk als Favorit gehandelt worden. Nach null Punkten aus drei Spielen darf diese EM als Totalschaden gewertet werden. Die Zeitung „De Telegraaf“ titelte entrüstet: „Oranje – Schande über dich.“ In diesem Klima des Entsetzens über sich selbst und den Niedergang des jahrelang international hoch geschätzten holländischen Fußballs muss nun der ukrainische Albtraum aufgearbeitet werden. Die Mannschaft, deren wichtigste Profis um die dreißig Jahre alt sind, muss verjüngt und in jeder Hinsicht aufgefrischt werden.

Bildergalerie: So verloren die Holländer gegen Deutschland.

Der amtierende Vizeweltmeister schied zuletzt meist in der Vorrunde aus

Heimgerobbt. Holland war bei dieser EM nur Punktelieferant.
Heimgerobbt. Holland war bei dieser EM nur Punktelieferant.

© AFP

Bert van Marwijk, dessen Vertrag erst vor kurzem bis 2016 verlängert worden war, steht vor dem Abschied – entweder von sich aus oder per Kündigung. Der Sechzigjährige, im Sommer vor zwei Jahren zum „Ritter des Ordens von Oranje-Nassau“ geschlagen, saß bei seinem vielleicht letzten Auftritt als Chefcoach der Niederlande eher wie ein armer Ritter ohne Rüstung im Pressekonferenzraum des Metalist-Stadions und gab keine Antwort auf die Frage aller Fragen: „Sie können mich gern nach allem fragen, aber nicht nach meiner Zukunft.“

Es ist höchst unwahrscheinlich, dass van Marwijk Nationalcoach bleibt. Vor allem, wenn man auf die Halbwertzeit der Trainer in Diensten des Königlich Niederländischen Fußball-Verbandes schaut: Seit 1905 haben sich 44 Fußballpädagogen an diesem Job versucht, meist kurzzeitig. Van Marwijk war immerhin vier Jahre im Amt, am Sonntagabend übernahm er die Verantwortung für das Scheitern. Er wirkte nach der Niederlage gegen Portugal, die viel deutlicher hätte ausfallen können, ratlos. „Wir waren nicht in der Verfassung, Tore zu schießen. Wir haben unsere Chancen leichtfertig vergeben und dann selbst Tore bekommen. Wir sind selbst schuld.“

So sahen es auch die Spieler, die in den Minuten, da alles vorbei war für Holland, keine billigen Ausflüchte suchten. Arjen Robben, schon bei den Münchner Bayern von Enttäuschungen auf hohem Niveau geplagt, empfahl allen Kollegen, „in den Spiegel zu schauen, denn wir sind nach drei Niederlagen rausgeflogen, das ist die steinharte Wahrheit“. Sie trifft seit 1996 bei Europameisterschaften alle Teams, die sich zwei Jahre vorher als WM-Zweite feiern ließen. Zuerst sagte Italien 1996 nach der Vorrunde Ciao, danach sagte 2004 Deutschland Auf Wiedersehen, ehe sich Frankreich 2008 mit einem Adieu anschloss. Nun also die Niederlande, die seit 1980 erstmals wieder die EM-Vorrunde nicht überstanden. Mit einer niederschmetternden Bilanz: Tiefer ist im internationalen Fußball lange niemand mehr gefallen.

Die wichtigsten Spieler sind um die 30 Jahre alt, das Team braucht frisches Blut

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