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Ein Gewinn auf dem Feld. Joshua Kimmich ist vielseitig, gegen Dänemark gelang ihm per Fallrückzieher das 1:1.

© Patrick Stollarz/AFP

Nach dem Länderspiel in Dänemark: Joshua Kimmich: Mehr als ein Talent

Der 22 Jahre alte Münchner Joshua Kimmich kann für die junge deutsche Confed-Cup-Mannschaft stilbildend sein.

Plötzlich lag Joshua Kimmich quer in der Luft. In bester Klaus-Fischer- Gedächtnis-Haltung holte der junge Münchner zu einem Fallrückzieher aus – und traf. Dieser spektakuläre Treffer zum 1:1-Ausgleich wenige Minuten vor dem Abpfiff war nicht nur der ästhetische Höhepunkt eines überraschend ansehnlichen Freundschaftsspiels der deutschen Nationalmannschaft am Dienstag gegen Dänemark, sondern Ausdruck einer alten, deutschen Fußballtugend – dem Dranbleiben. Denn Schluss ist erst, wenn der Schiedsrichter pfeift.

In gewisser Weise gibt es in der für den anstehenden Confed-Cup bunt zusammengewürfelten Kaderauswahl des deutschen Fußballs keinen Spieler, der diese Tugend mehr verkörpert. Und noch etwas: So wie sich die Stellvertreter der Weltmeister erst finden und einspielen müssen, so muss auch Joshua Kimmich wieder zu seinem Spiel finden. Dabei war er ja schon soweit. Vor einem Jahr, bei der Europameisterschaft in Frankreich, kam er groß heraus. Auf dem letzten Drücker war er damals in den vorläufigen EM-Kader gerutscht. Bundestrainer Joachim Löw nahm ihn mit zum Turnier und bot ihn im letzten Gruppenspiel der Deutschen gegen Nordirland anstelle des Schalkers Benedikt Höwedes als Rechtsverteidiger auf. Kimmich überzeugte auf Anhieb, weil er gerade in der Offensive bessere, zwingendere Momente hatte als sein Vorgänger. Von da an spielte Kimmich jede weitere Turnierminute – bis zum Halbfinal- Aus gegen Gastgeber Frankreich.

Unter Trainer Ancelotti geriet er etwas ins Abseits

Doch irgendwie ist dem aufstrebenden Nationalspieler beim FC Bayern etwas dazwischen gekommen. Während er unter Trainer Pep Guardiola seine Vielseitigkeit auf drei verschiedenen Positionen im defensiven Mittelfeld, als Außen- und als Innenverteidiger unter Beweis stellen konnte und deshalb in der Gruppe höchst angesehen war, geriet er unter dem neuen Trainer Carlo Ancelotti immer mehr ins Abseits. Und das, obwohl er in den ersten sechs Saisonwochen eine Handvoll Tore erzielt hatte.

Doch auf Dauer kam Kimmich weder an Kapitän Philipp Lahm vorbei noch fand Ancelotti für den talentierten Mann anderswo auf dem Spielfeld Verwendung. Vor allem aber ärgerte es Kimmich, dass er gerade in den wichtigen K.-o.-Spielen des Frühjahrs – im DFB-Pokal gegen Dortmund oder in der Champions League gegen den FC Arsenal und Real Madrid – auf zusammen nicht einmal eine gespielte Stunde kam.

Das war nicht gerade das, was der ehrgeizige Kimmich sich vorgestellt hatte. Und das musste erst einmal verdaut werden. In der Spielzeit zuvor war er unter Guardiola zu einer Stammkraft aufgestiegen. Auch deswegen gab es kurz vor Ablauf der zurückliegenden Spielzeit immer wieder Gerüchte, wonach Kimmich seine Zukunft nicht zwangsläufig bei FC Bayern sehe. Immerhin sah sich der wegen dieser angeblichen Wechselabsichten aufgebrachte Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge zu einem Machtwort veranlasst. „Er hat einen Vertrag bis 2020. Ich kann mir vorstellen, dass das noch nicht das Ende der Fahnenstange ist. Wir sind total von ihm überzeugt, inklusive des Trainers“, sagte der 61-Jährige. Prompt ruderte Kimmich zurück. „Fakt ist, dass ich den FC Bayern nicht verlassen möchte“, antwortete der 22-Jährige nur einen Tag später brav und ergänzte: „Mein Ziel ist es, ganz lange in München zu bleiben.“ Allerdings, das ließ er nicht unerwähnt, wolle er auf Sicht eine Perspektive sehen und spielen.

Rangnick hob Kimmichs Mentalität hervor

Die Auftritte in der Nationalmannschaft werden ihm dabei behilflich sein. Kimmich ist er der einzige Profi der Bayern, der in der kommenden Woche mit zum Confed-Cup nach Russland reist. Bei Bundestrainer Löw hat er seinen Platz auch im WM-Kader im kommenden Sommer sicher. Nicht nur wegen seiner Polyvalenz. „Kimmich kann sehr vieles richtig gut, aber seine Mentalität ist herausragend“, sagte Ralf Rangnick bei der EM 2016. Der hatte Kimmich als Leihgabe des VfB Stuttgarts zwei Jahre lang bei RB Leipzig gefördert, ehe ihn der FC Bayern 2015 für 8,5 Millionen Euro kaufte. Mentalität ist jetzt gefragt, wenn sich eine junge deutsche Mannschaft beim Confed-Cup achtbar schlagen soll. Talent haben sie mehr oder minder alle.

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