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Sport: NACH DEM LÄNDERSPIELSIEG IN NORDIRLAND: Oliver Kahn und das Risiko

HERZOGENAURACH .Die Augen zu einem Sehschlitz zusammengekniffen, die Stirn gerunzelt, schaute Oliver Kahn grimmig in die Runde.

HERZOGENAURACH .Die Augen zu einem Sehschlitz zusammengekniffen, die Stirn gerunzelt, schaute Oliver Kahn grimmig in die Runde.Der Torwart scheint der einzige unter den Siegern von Belfast zu sein, dem die Freude über das 3:0 übers Wochenende gründlich vergangen ist.Die Torschützen wurden gefeiert, am Torhüter wird herumgemäkelt.Die Montagsmedien haben auch die letzte Lachfalte in seinem ohnehin etwas griesgrämigen Gesicht geglättet."Herr Kahn, sind Sie ein Sicherheitsrisiko?", fragte "Bild".Das Fachblatt "Kicker" verzichtete auf das Fragezeichen und stellte gleich fest: "Sicherheitsrisiko Kahn".Der Fehlgriff in der 9.Minute, als er bei einer Ecke den Ball unterlief, wird den bei Bayern München seit nunmehr 723 Minuten (Rekord) torlosen Torwart wohl noch bis zum Spiel gegen Finnland am Mittwoch in Nürnberg verfolgen.Und wehe, wenn Oliver Kahn im Frankenstadion die kleinste Unsicherheit zeigt.Dann werden die "Clubberer" unter den Zuschauern "Andy Köpke" skandieren.

Nun hat der Köpke-Nachfolger auch in der Nationalmannschaft erstmals, seit er die Nummer eins ist, ein "zu null" gehalten.Und dennoch steht der große Blonde als unsicherer Kandidat in der Kritik.Das findet der so selbstgerechte und von sich so überzeugte Schlußmann ("Ich bin der Beste") im höchsten Maße ungerecht, auch wenn er behauptet: "Ich habe überhaupt keine Probleme damit." Aber er weiß es und gibt es zu: Das Leben des Torwarts sei halt "grausam", und im Nationalsweater ganz besonders."Wenn du die Nummer eins bist, und das haben schon Bodo Illgner und Andreas Köpke zu spüren bekommen, mußt du dich diesem eiskalten Wind aussetzen.Damit mußt du fertig werden.Wenn nicht, dann muß man eben etwas anderes machen."

Bei Kahn scheinen die Argusaugen der Kritik noch schärfer als bei seinen Vorgängern über die Taten im Tor zu wachen.Jedenfalls beklagt sich Kahn voll beißender Ironie: "Bei mir beobachtet man momentan auch noch, ob ich die Bälle, die mir die Balljungen zuwerfen, mit einer Sicherheit bearbeite, ob die Bälle genau auf der Fünf-Meter-Linie liegen, ob die Abstöße 55 oder 56 Meter weit sind." Wenn man sich das Spiel gegen Nordirland noch einmal genau anschaue, "dann werden Sie feststellen", belehrte Oliver Kahn die Medien auf der Montags-Pressekonferenz in Herzogenaurach, "daß da nicht der Hauch eines Fehlers, nicht der Hauch von Nervosität war."

Mögliche Nervosität Kahns hatte zuvor Uli Stielike, in Vertretung des Teamchefs Erich Ribbeck auf dem Pressepodium, eingeräumt und sie mit der ungewohnten Konkurrenzsituation begründet: "Im Verein hat Kahn keine Konkurrenz.In der Nationalmannschaft aber sitzt ihm Jens Lehmann im Nacken und setzt ihn unter Druck." Da kennt Stielike das Selbstbewußtsein des Oliver Kahn aber schlecht.Kahn: "Überhaupt kein Problem für mich." Dieses Gerede von der Nervosität in der Nationalmannschaft kann er nicht nachvollziehen."Ich bin ein Torwart, der auch mal ein Risiko eingeht.Und solange kein Tor fällt, ist mir alles andere auch scheißegal." Aber in der Türkei ist nun einmal durch sein Risiko ein Tor gefallen, das die 0:1-Niederlage bedeutet.Das hängt dem Torwart nun einmal in der EM-Qualifikation nach - und nicht die Paraden, mit denen Kahn das 3:1 in Moldawien sicherte.

Immerhin räumt Oliver Kahn einen gewissen Überehrgeiz ein: "Wenn man lange hart daran gearbeitet hat, die Nummer eins zu werden, setzt man sich unter Druck, versucht, ganz besondere Dinge toll zu machen, die dann schiefgehen können." Wenn dann einer wie Udo Lattek Kritik übt, "ohne Polemik", akzeptiert sie Kahn auch."Was Lattek sagt, ist nie ganz falsch, und er hat vollkommen recht, wenn er mich als mit Abstand besten deutschen Torhüter bezeichnet."

HARTMUT SCHERZER

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