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Schwimm-WM 2009 - 200 m Freistil - Biedermann

© dpa

Nach dem Schwimm-Weltrekord: Fragen um Biedermann tauchen auf

Der frühere Bundestrainer Manfred Thiesmann kann sich "trainingswissenschaftlich" auf Paul Biedermanns Weltrekordzeit keinen Reim machen.

Berlin - Verblüfft, das ist wahrscheinlich das richtige Wort. Manfred Thiesmann ist einfach nur verblüfft. Er war 28 Jahre lang Bundestrainer der deutschen Schwimmer, bis Herbst 2008, jetzt arbeitet er als Berater am Olympiastützpunkt Hannover. Er dachte, er hätte schon alles erlebt. Aber dann kam dieses Rennen, die 3:40,07 Minuten von Paul Biedermann bei der WM in Rom, der Weltrekord über 400 Meter Freistil. Die Steigerung von Biedermanns Bestzeit um 6,61 Sekunden.

„Trainingswissenschaftlich habe ich dafür keine Erklärung.“

Das sagt Thiesmann am Montag. Und er nimmt die Kernfrage auf: Wie ist diese Steigerung zu erklären? Als Biedermann zur WM kam, lag seine Bestzeit bei 3:46,67 Minuten. Nach dem Vorlauf am Vormittag bei 3:43,01. „Schon das ist eine enorme Steigerung“, sagt Thiesmann. Dann kam das Finale, ein paar Stunden später.

Zwischen Vorlauf und Finale steigerte sich Biedermann um rund 0,8 Sekunden pro 100 Meter. „Das ist der Hammer, weil die Vorlaufleistung schon im absoluten Weltklassebereich war“, sagt der 63-jährige Ex-Bundestrainer. Ausgehend von seiner Bestleistung vor Rom steigerte sich Biedermann sogar um 1,7 Sekunden pro 100 Meter. „Das muss man sich mal vorstellen“, sagt Thiesmann. „das ist der Wahnsinn schlechthin.“

Der Anzug? Biedermann sagt selber: „Der Anzug bringt zwei Sekunden.“ Der 22-Jährige hätte im Übrigen am liebsten wieder die alte Badehose. „Ich tue mich sehr schwer, den Anzug als Erklärung zu akzeptieren“, sagt Thiesmann. „Wir haben uns lange damit beschäftigt. Wir sind uns alle einig, dass er pro 50 Meter 0,3 bis 0,5 Sekunden bringt.“ Das sei eine Menge, „aber ich muss ehrlich sagen, ich kann nicht beurteilen, wie so eine Leistung in so kurzer Zeit physisch möglich ist“.

Die Dopingdiskussion hat auch Biedermann erreicht, es war zu erwarten. Hätte ein Russe oder Ukrainer solche Zeiten erreicht, dann wäre der Aufschrei wahrscheinlich noch größer.

Biedermann war sechs Wochen lang krank, ihm fehlen 300 Trainingskilometer, das ist der zentrale Punkt bei den Erklärungsversuchen. „Man hat ja versucht, für ihn die WM-Normen außer Kraft zusetzen, damit er überhaupt zur WM kann“, sagt Thiesmann. Und dann kam Monaco. In Monaco, ein paar Wochen, nachdem der 22-Jährige aus Halle an der Saale wieder mit dem Training begonnen hatte, schwamm er Europarekord über 200 Meter Freistil. „Da fragt man sich natürlich: Was ist denn jetzt passiert?“, sagt Thiesmann. Kann ja sein, dass sich Biedermann in dieser Pause ausgiebig erholt hat. „Dann ist doch die erste Frage: War das ganze Training vorher nicht durchdacht? War er erst jetzt, ausgeruht, erstmals in der Lage, diese Leistung abzurufen?“, sagt Thiesmann.

Biedermann schwamm diesen Europarekord zwei Wochen vor der deutschen Meisterschaft. „Da ist man normalerweise in einem Leistungsloch“, sagt Thiesmann. Oder die Trainingsplanung sei falsch terminiert, und Biedermann sei zu früh in Topform gewesen. Dann hätte er aber bei den Meisterschaften schlecht schwimmen müssen. Dort verbesserte er aber seinen eigenen Europarekord.

Und noch etwas hat Thiesmann „verwundert“. Biedermanns Schlussspurt. „Wie er auf der letzten Bahn die Weltspitze stehen ließ, ist schon frappierend. Dazu bedarf es sicher noch ein paar Erklärungen.“ Er ist schon ganz gespannt.

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