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Otto Rehhagel auf verlorenem Posten. Sein Mission bei Hertha ist gescheitert.

© AFP

Nach dem Skandalspiel von Düsseldorf: Hertha zwischen Sprachlosigkeit und Wut

Otto Rehhagel bezeichnet die Begleitumstände des sechsten Hertha-Abstiegs als "Katastrophe". Derweil berät der Verein über das weitere Vorgehen. Klar ist aber schon, dass Manager Preetz seine Arbeit "gerne fortsetzen" will.

Der Kontrast hätte kaum größer sein können. Im Innenraum der Düsseldorfer Arena feierten die Fortuna-Spieler ihren Bundesliga-Aufstieg, als hätte es die skandalösen Szenen im Stadion, die Bengalowürfe und den Platzsturm, nicht gegeben. „Wir sind die Geilsten“ riefen sie in der Polonäse, Torwart Michael Ratajczak hatte sich bis auf die Unterhosen ausgezogen. Die Spieler von Hertha BSC hingegen flüchteten, abgestiegen und verängstigt, in ihre Kabine. Andre Mijatovic und Christian Lell aber verfolgten den Schiedsrichter. „Das waren überhaupt keine zwei Minuten“, hielt der Berliner Kapitän Wolfgang Stark vor. Der hatte nach 20-minütiger Spielunterbrechung wieder angepfiffen, ließ aber nicht mehr die kompletten verbleibenden 90 Sekunden der siebenminütigen Nachspielzeit laufen. „Du feiges Schwein, da brauchst du gar nicht mehr anpfeifen“, beleidigte Lell Stark. Dabei hatte der besonnene Schiedsrichter ohnehin nur angepfiffen, um eine noch schlimmere Eskalation im Stadion zu verhindern. Dafür bekam er Lob von allen (neutralen) Seiten.

Die Emotionen wollten sich auch nach dem beschämendsten Relegationsspiel der Geschichte nicht beruhigen. „Die Begleitumstände waren eine Katastrophe“, klagte Hertha-Trainer Otto Rehhagel nach dem 2:2. So etwas habe er noch nie erlebt, sagte der 73-Jährige. „Die Zuschauer nehmen sich immer mehr heraus, auf das Spiel einzuwirken.“ Die Medien seien aufgefordert, „diese Leute härter ranzunehmen, sonst mündet es irgendwann in einer Katastrophe“.

Auch Präsident und Manager zeigten sich bestürzt. „So sollte ein Fußballspiel nicht enden“, sagte Vereinschef Werner Gegenbauer, der „natürlich auch“ die eigenen Fans mit einschloss, die nach einer Stunde mit Feuerwerkskörpern auf Spielfeld und Personen warfen, Werbebanden in Brand setzten und so die Ausschreitungen begannen. „Die Umstände machen uns betroffen, wir verurteilen das“, sagte Michael Preetz. Auch die Düsseldorfer Verantwortlichen zeigten sich schockiert. In der Stadt hieß es, ein Schiedsrichterpfiff sei als Spielende fehlinterpretiert worden, daher hätten hunderte Düsseldorfer Fans den Platz gestürmt.

Bildergalerie: Die chaotischen Szenen von Düsseldorf:

Ob die Berliner gegen die Wertung des Relegationsrückspiels Protest einlegen werden, ließen sie zunächst offen. Der Berliner Sportanwalt Christoph Schickhardt kündigte eine juristische Prüfung an. „Wir sind es unseren Fans schuldig, diese Möglichkeit abzuwägen“, sagte Preetz. „Nach einer Nacht des Nachdenkens werden wir die Umstände bewerten.“ Schickhardt wolle sich laut eigener Aussage im Morgenmagazin von ARD und ZDF gegen Mittag mit der Vereinsführung zusammensetzen und über ein Weiteres Vorgehen beraten.

Sprachlosigkeit in der Hertha-Kabine

Der Manager, der in einem Gerangel auf dem Feld von Düsseldorfer Mannschaftsbetreuern herumgeschubst wurde, kritisierte Wolfgang Starks Entscheidung, das Spiel wieder anzupfeifen. „Ich habe den Schiedsrichter gefragt, ob er die Sicherheit der Spieler gewährleisten kann, er sagte nein“, schilderte Preetz ein Gespräch während der Unterbrechung. Also sei es besser abzubrechen, habe er gesagt, Stark habe erwidert, die Polizei habe ihm zugesichert, alles im Griff zu haben. „Da kann man anderer Meinung sein“, sagte Preetz. Die sportliche Fairness habe es aber geboten, wieder aufs Feld hinaus zu gehen.

Ob die Berliner Erfolg mit einem eventuellen Einspruch gegen die Spielwertung haben, ist äußerst fraglich. Ein vergleichbares Urteil gibt es nicht. Fortuna Düsseldorf ist als Ausrichter zwar zuständig für die Sicherheit im Stadion und steigt mit einem gewaltigen Imageschaden auf. Aber die Aggression ging von der Berliner Kurve aus. Weil sich der Großteil des Polizeiaufgebots vor dem Hertha-Block postierte, sahen die Düsseldorfer Anhänger wohl die Gelegenheit, ungehindert auf den Platz zu gelangen.

Die Relegation in Bildern. Ein Rückblick:

In der sportlichen Bewertung des sechsten Bundesliga-Abstiegs in Herthas Geschichte überwogen Trauer und Selbstrechtfertigungen. „Sprachlosigkeit“ habe in der Kabine geherrscht, sagte Peter Niemeyer, der wie die anderen Spieler verheulte Augen hatte, aber als Einziger Worte fand. „Das ist ein sehr, sehr bitterer Abend für uns und den Verein.“

Otto Rehhagel, der während der Ausschreitungen besonnen und deeskalierend gewirkt hatte, sagte, am Ende hätten Zentimeter gefehlt. Auf die Frage, ob er gescheitert sei, sagte der Trainer: „Als der Präsident und Michael Preetz mich geholt haben, war das Schiff schon in Schieflage.“ Nun könne man eine Nacht weinen, aber danach müsse der Blick nach vorne gehen. „Herthas Aufgabe ist es jetzt, Sponsoren zu finden und die Mannschaft zu verstärken.“ Ob dies das letzte Spiel seiner 40-jährigen Trainerkarriere war, dazu wollte Rehhagel erneut nichts sagen.

Michael Preetz hingegen, der den zweiten Abstieg in drei Jahren zu verantworten hat, soll hingegen nach Willen der Vereinsspitze Manager bleiben. „Ich habe es schon vorher gesagt: Ich habe keine Zweifel, dass er unser Geschäftsführer Sport bleibt“, sagte Präsident Gegenbauer. „Ich will meine Arbeit bei Hertha BSC gerne fortsetzen“, erneute Preetz erneut seinen Anspruch, weiterarbeiten zu wollen. Am Donnerstag will der Verein nach internen Beratungen an die Öffentlichkeit gehen, auch was einen eventuellen Protest angeht.

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