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Offensiv läufts: Pierre-Michel Lasogga rettete gegen Leverkusen mit seinem zweiten Tor zum späten Ausgleich wenigstens einen Punkt.

© dpa

Nach dem Spiel gegen Leverkusen: Furcht vor der Führung

Hertha BSC verspielt zum wiederholten Male einen Vorsprung – das passt ins Gesamtbild: Der Mannschaft ist die Gier abhanden gekommen, die sie zu Saisonbeginn hatte.

Michael Preetz ist einmal für seine Eloquenz gerühmt worden. Vermutlich ist die Behauptung, dass der frühere Fußballer seinen aktuellen Job als Manager von Hertha BSC vor allem seiner Redekunst zu verdanken hat, nicht einmal übertrieben. Inzwischen aber legt Preetz keinen allzu großen Wert mehr auf das gesprochene Wort. Als er am späten Samstagnachmittag von einem Journalisten gefragt wurde, wie er denn das Spiel seiner Mannschaft gegen Bayer Leverkusen gesehen habe, sagte er nur: „Von der Bank aus.“ Dann drehte er sich um und verschwand.

Man könnte Preetz noch zugute halten, dass er vermutlich keine Lust hatte, schon wieder das Gleiche zu erzählen. 2:0 hatte der Berliner Fußball-Bundesligist gegen Leverkusen geführt, am Ende musste er froh sein, dank dem späten Ausgleich von Pierre-Michel Lasogga zum 3:3 (siehe Kasten) wenigstens noch einen Punkt gesichert zu haben. Schon in der Vorwoche, beim 2:2 gegen den Abstiegskandidaten Freiburg, hatte Hertha ein Zwei-Tore-Vorsprung nicht zum Sieg gereicht. „Ich habe das Gefühl, es fehlt die letzte Überzeugung, dass wir das Spiel gewinnen“, sagte Herthas Kapitän Andre Mijatovic.

Hertha und die Furcht vor der Führung – das Thema nimmt für den Aufsteiger langsam ungesunde Formen an. Das Spiel gegen Leverkusen war bereits das fünfte in dieser Saison, in dem die Berliner nach einem Vorsprung nicht gewannen. Gegen Augsburg, Freiburg und Bayer reichte es immerhin noch zu einem Punkt; gegen Mönchengladbach und Bremen stand Hertha am Ende sogar ganz ohne Punkte da.

„Es ist verdammt bitter, es kostet so viel Kraft“, sagte Verteidiger Christian Lell. Eigentlich sollte es genau umgekehrt sein: In Führung gehen, Sicherheit gewinnen, den Gegner kontrollieren, Stärke zeigen. Bei Hertha war das Gegenteil zu beobachten. „Für mich ist das ein bisschen ein Rätsel“, sagte Trainer Markus Babbel. „Wir sind zu passiv gewesen, haben uns zu weit fallen lassen.“ Und als die Leverkusener mit ihrem ersten Torschuss den Anschlusstreffer erzielten, waren die schweren Gedanken gleich wieder da. „Man darf dann nicht nervös werden, sondern muss positiv bleiben“, sagt Babbel. Doch selbst die guten Worte, die er in der Pause an seine Mannschaft richtete, halfen nicht: „Ich habe versucht zu erklären, dass es kein Nachteil ist, wenn man führt – weil der Gegner erstmal ein Tor schießen muss.“

Das Problem, vernünftig mit einer Führung umzugehen, fügt sich in das Gesamtbild, das Hertha gerade abgibt. Es ist für einen Aufsteiger nicht wirklich schlecht, wie ja auch ein Unentschieden gegen den Champions-League-Achtelfinalisten Leverkusen keine Schande ist. Aber zuletzt haben sich die unangenehmen Themen ständig wiederholt. Die fehlende defensive Stabilität zum Beispiel. Dass Hertha zu viele Gegentore kassiert, ist seit Wochen nach jedem Spiel zu hören – geändert hat sich nichts.

Hertha scheint ein wenig die Gier abhanden gekommen zu sein, die das Team gerade zu Saisonbeginn und vor allem in den Spielen gegen Hamburg, Hannover und Dortmund ausgezeichnet hat. Vielleicht war es der Reiz des Neuen und die Lust an der Bundesliga, die die Spieler angetrieben haben. Inzwischen hat Trainer Babbel ein bisschen das Gefühl, dass das, was für einen Aufsteiger auch nach 14 Spieltagen noch besonders sein sollte, „so ein bisschen Alltag geworden“ ist.

Die Berliner müssen ihr Gespür für die Gefahr wieder schärfen. „Es muss Alarmstufe Rot herrschen, sobald der Ball über die Mittellinie kommt“, sagt Babbel. „Wir müssen frühzeitig erkennen, dass es gefährlich werden könnte.“ Und dann entschlossen Gegenmaßnahmen einleiten und nicht darauf hoffen, dass der Kollege schon irgendetwas unternehmen wird. Das verspricht auf Dauer jedenfalls mehr Erfolg als das, was Kapitän Mijatovic vorschwebt. Vielleicht sollten „wir erst in der zweiten Halbzeit zwei Tore machen“. Dann bleibt weniger Zeit, den Vorsprung noch zu verspielen.

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