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Wurschteln statt Kombinieren. Silvia Neid setzte gegen Japan auf Wucht. Doch auch die fehlte gegen die cleveren Japanerinnen.

© dapd

Nach dem WM-Aus: Kritik an der Taktik: Hauruck ist nicht genug

Nach dem WM-Aus steht Silvia Neid in der Kritik. Die Bundestrainerin schien gegen Japan das Vertrauen in ihr eigenes Spielsystem verloren zu haben und lag auch bei ihren Auswechslungen daneben.

Ein letztes Mal bildete die deutsche Nationalmannschaft der Frauen einen Kreis auf dem Rasen. Bundestrainerin Silvia Neid richtete ein paar aufmunternden Worte an ihrer Spielerinnen, die gerade 0:1 (0:0) nach Verlängerung gegen Japan verloren hatten und somit bei ihrer Heim-WM schon im Viertelfinale ausgeschieden waren. Mehrere der Fußballerinnen weinten immer noch, als Neid zu ihnen sprach, auch die Worte der Bundestrainerin konnten sie nicht trösten. Auch zuvor schien die 47-Jährige nicht die richtigen Mittel gefunden zu haben, um ihre Mannschaft zum Sieg gegen Japan zu führen.

120 Minuten lang hatten die Japanerinnen sehr defensiv gespielt und die Räume für das deutsche Team geschickt zugestellt. Wie schon zuvor gegen Kanada und Nigeria verloren die deutschen Fußballerinnen schnell ihre Sicherheit und das Vertrauen in das eigene Spiel. Schon früh beschränkte sich die Hoffnung darauf, die Abwehr der körperlich unterlegenen Japanerinnen durch Standardsituationen zu bezwingen. „Ich habe immer geglaubt, dass wir irgendwie noch ein Tor reinwurschteln“, sagte Neid. „Heute war nichts mit grazilem Spiel. Es war wirklich ein Kampf.“ Es war bezeichnend, dass die Trainerin in der Stunde des Ausscheidens selbst ihren Glauben an die Taktik verlor, die sie ihrer Mannschaft zuvor in Monaten der intensiven Vorbereitung verordnet hatte: „Spielerisch und souverän hätten wir heute kein Tor mehr gemacht, da hätten wir noch eine Stunde spielen können.“

Den ersten Schreck hatten die deutschen Frauen schon nach vier Minuten erlebt, als Kim Kulig nach einem Kopfball zu Boden ging und mit beiden Händen ihr rechtes Knie umklammerte. Sofort war klar, dass sich die defensive Mittelfeldspielerin ernsthaft verletzt hatte. Der Verdacht, die 21-Jährige habe sich das Kreuzband gerissen, bestätigte sich am Sonntagmorgen. „Es ist doof, wenn man gleich nach drei Minuten eine Auswechslung hat“, sagte Neid, die Bianca Schmidt für Kulig aufs Feld geschickt hatte. „Man weiß ja nicht, wie lange das Spiel geht – und es ging ja dann auch 120 Minuten.“ Kulig habe der Mannschaft gefehlt, besonders bei Kopfbällen, Ballgewinnen im Mittelfeld und im Spielaufbau. Die Verletzung sei „ein Schock“ gewesen, sagte Neid. „Dann hatten wir schon einmal gewechselt und wussten: Man kann nur noch zweimal und man kann nicht mehr so viel nach vorne werfen.“

Ob Silvia Neid ihre beiden übrig gebliebenen Auswechslungen optimal ausnutzte, ist zumindest fraglich. Mitte der zweiten Hälfte brachte sie Lena Goeßling für Linda Bresonik, die nach einer Magen-Darm-Erkrankung noch nicht im Vollbesitz ihre Kräfte war. „Ich dachte, mit Lena kommt mehr Schwung nach vorne“, erklärte Neid. „Aber es hat heute einfach nicht sollen sein.“ Erst in der Verlängerung griff sie zu ihrer letzten Einwechslung, doch auch Alexandra Popp entwickelte nicht mehr Torgefahr als Inka Grings. „Inka hat nicht mehr den frischesten Eindruck gemacht“, sagte Neid. „Und mit der Alex erhoffte ich mir ein Kopfballtor aus einem Standard oder aus dem Laufduell heraus.“ Fatmire Bajramaj, die dem deutschen Spiel womöglich auch spielerische Impulse hätte geben können, blieb genauso auf der Bank wie die routinierte Birgit Prinz.

Der Hauruck-Fußball, der gegen Nigeria noch zu einem 1:0-Sieg gereicht hatte, war gegen die cleveren Japanerinnen einfach zu wenig. „Wir haben gegen sehr starke Japanerinnen gespielt, das war uns vorher klar“, sagte die deutschen Abwehrspielerin Annike Krahn. „Bei so einem Spiel entscheiden dann halt Nuancen. Und in einer Minute des Spiels waren sie halt einen Tick besser und haben ein Tor gemacht.“ In dieser Szene machte auch Nadine Angerer keine gute Figur. Die deutsche Torhüterin hatte in vier WM-Spielen keine fünf Bälle parieren müssen – beim entscheidenden Schuss von Karina Maruyama entschied sie sich dann zu früh dafür, in die linke Ecke abzutauchen.

Die Deutschen kämpften kopflos, aber beherzt, letztendlich gelang es ihnen allerdings nicht, die entscheidenden Kraftreserven zu mobilisieren. Die beiden wichtigsten deutschen Frauenfußball-Vereine suchten am Sonntag auch hierfür die Schuld bei Silvia Neid. Neben Turbine Potsdams Trainer Bernd Schröder Kritik (siehe Text links) monierte Siegfried Dietrich, Manager des 1. FFC Frankfurt, es sei „trotz der langen Vorbereitungszeit nicht gelungen, eine mannschaftliche Einheit hinzukriegen“.

Annike Krahn fasste das Spiel in ihrer gewohnt knappen Art so zusammen: „Letztendlich hat Japan ein Tor mehr geschossen als wir und dadurch sind wir rausgeflogen. So ist Fußball, damit müssen wir klar kommen.“ Noch prägnanter formulierte es nur Japans Yuki Nagasato: „Deutschland hat schlecht gespielt.“ Niemand wollte der Flügelstürmerin von Turbine Potsdam an diesem Abend widersprechen, auch nicht Silvia Neid.

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