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Der Überläufer. Sprinter Heinrich Popow (vorn) will jetzt Profisportler werden. Andere haben es schwerer.

© dpa

Nach den Paralympics: Inklusion: Darf ich mitmachen?

Die Paralympics in London waren ein großes Spektakel, doch im Alltag kämpft der Behindertensport mit Problemen. Von der positiven Außenwirkung der Spiele in London könnte der Behindertensport in Deutschland nun profitieren.

Matthias Ulm sitzt nachdenklich am Rande einer Sponsorenveranstaltung, die für die deutschen Sportler nach den Paralympics in London veranstaltet wird. Eigentlich soll hier das größte Spektakel in der Geschichte des Behindertensports gefeiert und versilbert werden, doch der Cheftrainer vom paralympischen Berliner Schwimmteam spricht über die Probleme des Alltags. Die fehlende Aufmerksamkeit, die in den kommenden vier Jahren auf den Behindertensport wartet, Probleme bei der Klassifizierung („Wir können nicht mal offiziell Einspruch erheben.“), die finanzielle Situation im deutschen Behindertensport – all das plagt den Trainer. Dabei wird deutlich: Es gibt nach den grandiosen Spielen in London viel zu tun.

Behinderte sollen in die Gesellschaft integriert werden – auch mit Hilfe von Sport. So will es auch die „UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“. Wenn Ulm über „gelebte Inklusion“ spricht, also über das gemeinsame Training von behinderten und nichtbehinderten Schwimmern, dann weist er auf Widerstände bei Vereinen und Berliner Sportschulen hin.

Natürlich passiert auch eine Menge Positives: Schulen und Universitäten werden umgerüstet, Aufzüge und Rampen für Rollstühle angeschafft und behindertengerechte Toiletten eingerichtet. Um den behinderten Jugendlichen die Teilnahme am Sportunterricht zu ermöglichen, sollen Lehrkräfte geschult und an Hochschulen vermehrt Sportangebote für Behinderte angeboten werden. Der Behindertensport, der derzeit unter Problemen bei der Nachwuchsfindung leidet, soll davon profitieren. Mehr Jugendliche mit Behinderung zum Sporttreiben animieren – diesen Effekt erhofft sich auch Friedhelm Julius Beucher von den Spielen in London. „Es gibt noch immer Menschen, die nicht wissen, dass es Leistungssport für Behinderte gibt. Ich hoffe, dass die Anzahl dieser Menschen durch die Spiele verringert worden ist“, sagt der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS).

Die Paralympics in London hatten sich dem Motto „Inspire a Generation“ verschrieben. Dafür müssen sich aber Vereine finden, die behinderte Sportler aufnehmen, wenn sie sich anmelden wollen. Die Dichte an Sportvereinen in Deutschland ist sehr hoch, doch es gibt viele Gebiete, besonders im ländlichen Bereich, in denen es keine Behindertensportvereine gibt. Dort sind die örtlichen Sportvereine besonders gefordert, sich von den Spielen dazu inspirieren zu lassen, Behindertensportgruppen anzubieten. 

Matthias Ulm berichtet auch über die Probleme seiner Schwimmer, ihren Sport und die Arbeit miteinander zu vereinbaren. Manchmal müsse das Training ausfallen, weil die Sportler ja auch noch arbeiten müssen. Einige Athleten wie Diskuswerfer Sebastian Dietz, der bei einer großen Versicherung angestellt ist, werden von ihren Arbeitgebern unterstützt und für Wettkämpfe oder ihr Training freigestellt. Bei anderen ist das schwieriger. Wenn das Kind krank ist und der Partner den Lebensunterhalt verdient, dann müsse eine seiner Schwimmerinnen schon Mal zu Hause bleiben statt zu trainieren, berichtet der Cheftrainer.

Die Stars des Behindertensports planen dagegen den nächsten Schritt. Sprinter Heinrich Popow strebt eine Karriere als Profisportler an. Derzeit befinde er sich in aussichtsreichen Gesprächen mit Sponsoren, gab der Olympiasieger über 100 Meter bekannt. Insgesamt war das Interesse von Sponsoren bei den Spielen in London so hoch wie nie zuvor, auch viele deutsche Firmen sind inzwischen engagiert.

Die zu Ende gegangenen Paralympics haben nicht nur Popow, sondern dem Behindertensport insgesamt eine starke Basis für weitere Entwicklungen geboten. Nun kann eine Generation an jungen Behindertensportlern zeigen, ob sie sich davon inspirieren lassen will. Und die Gesellschaft kann auch im Sport beweisen, wie sehr sie bereit ist, Behinderte in ihre Mitte zu holen.

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