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Kroatische Fans feiern in Zagreb den Erfolg ihrer Nationalmannschaft.

© Reuters/Antonio Bronic

Nach der Fußball-WM in Russland: Kroatien - Land voller Karos

In ganz Kroatien feiern die Menschen ihre Fußball-Lieblinge. Trotz des verpassten WM-Titels überwiegt der Stolz.

Manchmal ist auch eine Niederlage ein Sieg. Ein demonstrativer Beifallsturm schallte über den Zagreber Ban-Josip-Jelisic-Platz nach dem Abpfiff des WM-Finales am Sonntag, der das Ende aller kroatischen Titel-Hoffnungen besiegelte. Im fernen Moskau ließen manche Kroaten nach der 2:4-Niederlage gegen den neuen Weltmeister Frankreich auf dem regennassen Rasen ihren Tränen freien Lauf. In dem von Rauchfackeln umnebelten Zentrum von Zagreb sollte der Stolz auf den vorab kaum für möglich gehaltenen Finaleinzug der Karierten bald die Trauer überwiegen. Schnell hallte Kroatiens Sommer- und WM-Hit aus zehntausenden von Kehlen: „Spiel mein Kroatien! Wenn ich Dich sehe, brennt mein Herz!“

Seinen Kummer konnte hingegen der frühere Nationalkicker Josko Jelicic im TV-Studio des staatlichen HRT-Senders hingegen kaum verbergen. Er verspüre „Trauer und Stolz“, und es falle ihm schwer, die Tränen der Spieler zu sehen, bekannte der 47-jährige TV-Experte: „Als Nation haben wir uns während dieser WM geeinigt. Und das haben diese Jungs bewirkt, mit ihrem Opfer und ihrem Einsatz. Wir sind es ihnen schuldig, dass wir ihnen zeigen, wie sehr sie uns aufgemuntert haben – besonders wenn sie am Montag heimkommen.“

Die WM ist vorbei, Kroatiens endlose Karo-Party wird hingegen noch einige Tage weiter wogen. Mit gratis Zügen und Bussen sind die Fans aus dem ganzen Land am Montag nach Zagreb gereist, um ihren Lieblingen in der Hauptstadt einen begeisterten Empfang zu bereiten: Ausgiebige Vizeweltmeisterfeiern sind hernach auch in allen Heimatorten der Spieler geplant. „Söhne Kroatiens, wir erwarten Euch!“, titelte die Zeitung „Jutarnji List“ am Morgen des Finaltags.

Freie Zimmer waren in Zagreb schon am Sonntag nicht mehr zu bekommen: Aus ganz Kroatien hatten sich die Fans im Nieselregen in die Hauptstadt aufgemacht, um vor der Großleinwand ihre Lieblinge in der Moskauer Ferne anzufeuern. Das durch Auswanderung und rückläufige Geburtenraten gebeutelte Vizeweltmeisterland könne einen Babyboom in neun Monaten „gut gebrauchen“, scherzten überschwänglich die Radio-Moderatoren. Statt Staumeldungen flimmerte landesweit ein „Vorwärts Feurige“ über die Autobahnschilder.

"Das erlebt man im Leben nur einmal"

Selbst ein Priester hielt seine Messen im rot-weiß-karierten Zylinder ab. Auch an den Landesgrenzen fertigten Zoll- und Grenzschutzbeamte mit rot-weiß-gewürfelten Krawatten oder gar in über die Uniform gezogenen Modric- oder Rakitic-Shirts die Reisenden ab. „Für mich haben wir schon gewonnen“, erklärte an der Grenze zu Kroatien ein hochgewachsener Staatsdiener schon vor dem Endspiel: „So in kleines Land wie wir im Finale: Das erlebt man im Leben nur einmal.“

Unzählige von Anrufern machten bei den Radiostationen noch vor dem Anpfiff ihrem euphorischen Herzen freudig Luft. „Ich möchte den Jungs einfach danken“, sagte eine ältere Dame mit zittriger Stimme: „Sie haben dem Land wieder zu Selbstrespekt und Selbstbewusstsein verholfen.“ Statt Straßen und Plätze nach Politikern zu benennen, sollte man diese lieber den Spielern widmen, forderte ein anderer Anrufer: „Wir werden den Jungs einen Riesenempfang bereiten. Hauptsache es sind keine Politiker auf dem Podium. Die würden das Fest nur verderben.“

Schon der TV-Experte Jelisic war nach dem Abpfiff auf die heimischen Würdenträger nicht gut zu sprechen, die die Erfolge der Mannschaft nur zur Selbstprofilierung zu nutzen trachteten: „Ihr habt das nicht verdient. Denn wegen Euch sind wir eines der ärmsten EU-Länder.“

Kein Gefallen fand der einstige Kicker von Dinamo Zagreb und Hajduk Split an der erneuten Umarmungsorgie der sich wieder einmal ausführlich in Szene setzenden Staatschefin Kolinda Grabar Kitarovic: „Schade, dass es regnete. Sonst wären die Balljungen auch noch abgeknutscht worden.“

Thomas Roser

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