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Denksport Fußball. Holen Sie mit Hertha BSC drei Punkte und vermeiden Sie den Abstieg. Diese Aufgabe bringt Trainer Rehhagel und Co-Trainer Tretschok ins Grübeln.

© dapd

Nach der Niederlage in Köln: Hertha BSC auf der Suche nach Stabilität

Herthas mangelnde Stabilität ist auch den vielen Trainerwechseln in dieser Saison geschuldet. Doch es bleibt nicht mehr viel zeit für Otto Rehhagel, der Mannschaft die verloren gegangene Stabilität zurückzugeben.

Thomas Kraft flüchtete vor der Polizei. Die Staatsmacht war ihm dicht auf den Fersen, doch der Torhüter von Hertha BSC verließ mit festem Schritt und Entschlossenheit im Blick das Feld, das Diebesgut hielt er in seinen Händen umklammert. Schiedsrichter Guido Winkmann, im Zivilberuf Polizeibeamter, nahm die Verfolgung auf, doch Kraft erreichte mit dem Spielball unbehelligt den Kabinentrakt.

Fußballer machen das gelegentlich: dass sie sich nach besonderen Spielen den Spielball als Erinnerungsstück sichern. Warum allerdings Thomas Kraft nach der 0:1-Niederlage des Berliner Bundesligisten beim 1. FC Köln auf Souvenirjagd ging, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Wenn Fußball kein Mannschaftsspiel wäre, könnte sich der Torhüter als Gewinner dieser Begegnung fühlen, weil er mit einigen Paraden eine frühe Entscheidung verhindert hatte. Aber Kraft ist bisher nicht als Ego-Shooter aufgefallen, Niederlagen seiner Mannschaft haben sich immer nachteilig auf sein Wohlbefinden ausgelöst. Das war auch am Samstag in Köln so. Als Herthas Torhüter im Kabinengang angekommen war, gab er den erbeuteten Ball an die rechtmäßigen Besitzer zurück.

Den Tag hätten die Berliner am liebsten aus dem Gedächtnis gestrichen. Ihre Situation im Abstiegskampf hat sich am Wochenende wieder zugespitzt: Von den letzten fünf der Tabelle blieb einzig Hertha ohne Punkt; durch das Unentschieden der Augsburger gegen Borussia Dortmund fiel die Mannschaft sogar auf den Relegationsplatz zurück, den sie erst eine Woche zuvor durch ein glückliches 1:0 gegen Werder Bremen verlassen hatte. Herthas Hoffnung im Abstiegskampf hat sich bisher auch darauf gegründet, dass sich unter den achtzehn Bundesligisten doch drei würden finden lassen, die noch blinder sind. Diese Hoffnung ist am Samstag endgültig zerstoben.

Das kurze Hoch, das Herthas erster Sieg im Jahr 2012 ausgelöst hatte, hat sich nach nur einer Woche wieder komplett verflüchtigt. Die Niederlage gegen den 1. FC Köln, einen Konkurrenten im Kampf gegen den Abstieg, traf die Berliner schwer. Die meisten Spieler und Manager Michael Preetz schlichen wortlos aus dem Stadion in Köln-Müngersdorf. Wenigstens Otto Rehhagel bewahrte Haltung in schwerer Zeit. Der Trainerroutinier steckt nicht zum ersten Mal in seiner Karriere im sportlichen Existenzkampf, er wirkte deshalb nicht einmal besonders geschockt über die zweite Niederlage in seinem dritten Spiel mit Hertha. „Ich wusste, worauf ich mich eingelassen habe“, sagte Rehhagel. „Mir war klar, dass das nicht so reibungslos vonstatten geht und die Mannschaft nicht in einer gigantischen Verfassung ist.“

Das lässt sich Hertha wahrlich nicht nachsagen. Das Team bleibt mit drei Punkten und 2:15-Toren die schlechteste Mannschaft der Rückrunde; von neun Pflichtspielen 2012 hat sie acht verloren, siebenmal blieb sie dabei ohne Tor. Und jetzt kommen die Bayern, die am Samstag beim 7:1 gegen Hoffenheim, nur ein Tor weniger erzielt haben als Hertha in den letzten zwölf Bundesligaspielen zusammen. Was macht da Hoffnung? Dass die Bayern 2012 auswärts noch nicht gewonnen haben?

„Wir müssen unsere Burg verteidigen“, sagt Rehhagel über das bevorstehende Heimspiel. Die Frage, ob es eine gute Idee war, die Mannschaft in dieser entscheidenden Phase einem Pensionär anzuvertrauen, wird sich wie so vieles im Fußball erst von ihrem Ende her beantworten lassen. Geht es gut, hat Preetz in diesem Fall alles richtig gemacht.

Schon jetzt aber lässt sich feststellen, dass Herthas Problem nicht Otto Rehhagel heißt. Man kann sich über den 73-Jährigen und seine kauzige Art lustig finden; dass er als Trainer besondere Fähigkeiten besitzt, belegen schon seine Erfolge. Das eigentliche Problem ist, dass Rehhagel bereits Herthas dritter Cheftrainer in dieser schwierigen Saison ist, dass es in der Mannschaftsführung nicht den Hauch von Kontinuität gibt. Dabei hat Rehhagel schon nach wenigen Tagen einiges erkannt, was seinen Vorgängern verborgen geblieben ist: dass Lewan Kobiaschwili als Linksverteidiger, wie Rehhagel es ausgedrückt hat, verschenkt war. Oder dass Andre Mijatovic nicht mehr in der Lage ist, Herthas Defensive zu stabilisieren. Und trotzdem ist auch Rehhagel noch ein Suchender.

Gegen Köln wechselte er zur Pause gleich zweimal aus, um seine Mannschaft neu zu justieren. Zu solch drastischen Maßnahmen greifen Trainer höchst ungern. Bei Michael Skibbe, Rehhagels Vorgänger, war es ähnlich. In den fünf Spielen unter seiner Verantwortung nahm Skibbe dreimal schon zur Pause personelle Wechsel vor. Es ist kein gutes Zeichen für Hertha, dass der Trainer neun Spieltage vor Schluss noch nach einer stabilen Mannschaft fahndet. Otto Rehhagel ist das am wenigsten vorzuwerfen.

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